Rz. 7
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 18 UStG findet ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, der die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und damit verbundenen Lieferungen von Gegenständen befreit. Unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 18 UStG fallen grundsätzlich auch damit verbundene Nebenleistungen.
In der durch das JStG 2020 eingeführten Fassung entspricht § 4 Nr. 18 UStG im Wesentlichen dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL mit der unionsrechtlich nach Art. 133 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL zulässigen Beschränkung, dass als private Anbieter nur Einrichtungen ohne systematisches Gewinnerzielungsstreben steuerbefreit sind. Insofern ist § 4 Nr. 18 UStG in seiner aktuellen Fassung unionsrechtskonform ausgestaltet (vgl. hierzu aber auch die Bedenken von Gomes, UR 2022, 241 sowie Flad, UR 2023, 74).
Rz. 8
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 18 UStG a. F. setzte die vorbenannte Richtlinienbestimmung dagegen nur unzureichend in nationales Recht um (vgl. BFH vom 18.08.2005, Az: V R 71/03, BStBl II 2006, 143 und vom 03.11.2021, Az: V R 1/19, UR 2021, 715; ausführlich zur Frage der Richtlinienkonformität des § 4 Nr. 18 UStG vgl. Dickopp, UR 2007, 553). Mangelte es wie vorliegend an fristgemäß erlassenen nationalen Umsetzungsmaßnahmen, konnte sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (z. B. EuGH vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, UR 2002, 513) ein Einzelner auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau (EuGH vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, UR 2002, 513). Ein unmittelbares Berufen auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL hatte der BFH zuletzt etwa für gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen bejaht (Urteil vom 25.11.2021, Az: V R 34/19, MwStR 2022, 435 mit Anm. Meurer).
Rz. 9
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In der Folge kam Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL damit faktisch neben § 4 Nr. 18 UStG die Bedeutung einer eigenständigen Befreiungsvorschrift zu, die an zwei Voraussetzungen geknüpft war. Zum einen musste es sich um Leistungen handeln, die eng mit der Fürsorge oder sozialen Sicherheit verbunden sind, d. h. solche, die nach Art und Umfang im Sozialgesetzbuch beschrieben sind (EuGH vom 26.05.2005, Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 486; BFH vom 18.08.2005, Az: V R 71/03, BStBl II 2006, 143, vom 24.06.2020, Az: V R 21/19, MwStR 2020, 978 mit Anm. Möller und vom 03.11.2021, Az: V R 1/19, UR 2021, 715). Zum anderen mussten diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt sind, erbracht worden sein (EuGH vom 26.05.2005, Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 486).
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Neuregelung des § 4 Nr. 18 UStG durch das JStG 2020 zum 01.01.2020 hat zur Folge, dass sich Steuerpflichtige nicht mehr unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst g MwStSystRL berufen können, wenn ihre sozialen Leistungen nach den Befreiungsvorschriften des UStG für Sozialleistungen nicht umsatzsteuerfrei sind (vgl. Gomes, UR 2022, 241; kritisch Flad, UR 2023, 74).