Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Betreuungs- und Pflegeleistungen sind nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. a UStG ohne weitere Bedingungen steuerfrei bei Erbringung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts. Darüber hinaus sind nach Maßgabe der § 4 Nr. 16 Buchst. b–m UStG auch Einrichtungen des Privatrechts befreit, wenn sie als soziale Einrichtungen anerkannt sind, was sich nach dem System des § 4 Nr. 16 UStG aus tatbestandlichen Verknüpfungen mit dem Sozialrecht ergibt.
Rz. 13
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Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff "Einrichtungen" unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen (Abschn. 4.16.1. Abs. 3 S. 2 UStAE). Deshalb können z. B. auch Familien bzw. einzelne Personen, die hilfsbedürftige Menschen betreuen oder pflegen, begünstigte Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG sein. Sie müssen jedoch aufgrund von Vereinbarungen/Rechtsbeziehungen i.S.d. § 4 Nr. 16 UStG tätig werden (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 20.07.2022, Az: 7 K 7089/22, juris).
Rz. 14
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In seinem Urteil vom 12.03.2015 (Rs. C-594/13, "go fair", MwStR 2015, 382; Nachfolgeentscheidung des BFH vom 22.07.2015, Az: V R 20/12, UR 2015, 877; vgl. auch EuGH 21.01.2016, Rs. C-335/14, Les Jardins de Jouvence, UR 2016, 287) hat der EuGH ausgeführt, woraus sich der "soziale Charakter" einer Einrichtungen ergeben kann. Insbesondere sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- spezifische nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit,
- das mit den Tätigkeiten der betreffenden Einrichtung verbundene Gemeinwohlinteresse,
- die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und
- der Gesichtspunkt, dass die Kosten der fraglichen Leistungen u. U. zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
Rz. 15
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Die Anerkennung setzt aber nicht voraus, dass alle für die Anerkennung in Betracht kommenden Kriterien kumulativ vorliegen müssen (EuGH vom 15.11.2012, Rs. C-174/11, Zimmermann, DStR 2013, 443; BFH vom 25.04.2013, Az: V R 7/11, BStBl II 2013, 976 sowie BFH-Urteil vom 08.06.2011, Az: XI R 22/09, UR 2011, 821). Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass über den Wortlaut des § 4 Nr. 16 UStG hinaus Einrichtungen begünstigt sein können (vgl. Lippross, Umsatzsteuerrecht, 25. Aufl. 2022, 766 f., Gomes, UR 2022, 241). Allein die Überlassung von Arbeitskräften an begünstigte Einrichtungen reicht nach dem EuGH-Urteil vom 12.03.2015 (Rs. C-594/13, "go fair" MwStR 2015, 382; vgl. auch Abschn. 4.16.1. Abs. 3 S. 5 UStAE) aber nicht für die Befreiung von der Umsatzsteuer aus. Nicht ausreichend ist auch die Übernahme sozialer Aufgaben (vgl. BFH vom 18.02.2016, Az: V R 46/14, DStR 2016, 1103) oder die bloße Kostenübernahme durch die Pflegekasse ohne eine explizite Entscheidung über die Kostenübernahme (vgl. EuGH vom 08.10.2020, Rs. C-657/19, Finanzamt D, UR 2020, 871 mit Anm. Wüst; Nachfolgeentscheidung des BFH vom 24.02.2021, Az: XI R 30/20, DStR 2021, 1534).