Rz. 32
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen müssen "wissenschaftlicher oder belehrender Art" sein. Bei der insofern gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Kurse zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder belehrender Art" im Sinne dieser Vorschrift, sondern nur solche Kurse, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren sind (vgl. BFH vom 27.04.2006, Az: V R 53/04, BStBl II 2007, 16).
Rz. 33
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Ausreichend war grundsätzlich bereits, dass bestimmte Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt werden, z. B. die Erteilung von Schwimm-, Tennis-, Reit-, Segel- und Skiunterricht (vgl. Abschn. A.22.1. Abs. 4 UStAE). Zwar hatte der EuGH entschieden, dass die vermittelten Fertigkeiten und Fähigkeiten sich nicht auf Tätigkeiten beziehen, die den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH vom 14.06.2007, Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 592; EuGH vom 28.01.2010, Az: C-473/08, Eulitz, DStR 2010, 218). Mithin entfiel bei Koch- und Handarbeitskursen sowie bei der Erteilung von Schwimm-, Tennis-, Reit- und Segelunterricht grundsätzlich die Steuerfreiheit. Das vom EuGH zunächst nicht näher definierte Abgrenzungskriterium der reinen Freizeitgestaltung konkretisierte der BFH aber dahingehend, dass ein hohes Gemeinwohlinteresse die Annahme der Freizeitgestaltung widerlegt (BFH vom 05.06.2014, Az: V R 19/13, UR 2014, 735 und vom 07.01.2015, Az: V B 102/14, UR 2015, 238).
Tanzkurse stellten daher begünstigten Sportunterricht dar, wenn die Teilnehmer das Tanzen in erster Linie als Wettkampf i. R. d. Vereins- und Leistungssports betreiben (vgl. BFH vom 27.04.2006, Az: V R 53/04, BStBl II 2007, 16). Auch Leistungen eines Ballett- und Tanzstudios, dem bescheinigt worden ist, dass es auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, konnten nach der älteren Rechtsprechung Schul- und Hochschulunterricht darstellen (BFH vom 24.01.2008, Az: V R 3/05, BStBl II 2012, 267). Die bei einem Tangokurs erbrachten Leistungen konnten umsatzsteuerfrei sein, wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermöglichte, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich zu nutzen (vgl. BFH vom 24.01.2019, Az: V R 66/17,, UR 2019, 385 der daher im konkreten Fall die Steuerfreiheit ablehnte; vgl. hierzu auch Trinks, UR 2019, 388).
Unter die Steuerbefreiung fielen bislang auch unproblematisch Seminare, die bereits nach ihrer Thematik eine Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung erkennen lassen. Dies war bei Veranstaltungsthemen wie z. B. "Kundenbindung", "Verkaufen im Verdrängungswettbewerb" oder "Personalmanagement" gegeben. Die erforderliche Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung war zu bejahen, wenn die Seminare dazu dienen, die Effizienz bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen zu verbessern, und ein bloßer Freizeitcharakter der Seminare verneint werden kann (BFH vom 07.10.2010 Az: V R 12/10, BStBl II 2011, 303).
Rz. 34
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Mit der EuGH-Entscheidung in der Rechtsache A & G Fahrschul-Akademie (EuGH vom 14.03.2019, Rs. C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, MwStR 2019, 406 mit Anm. Möller, vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 4 Nr. 21 Rz. 28 ff.) legte der EuGH nun aber eine noch engere Definition des Schul- und Hochschulunterrichts zugrunde. Schul- und Hochschulunterricht setze ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studierenden je nach Fortschritt und Spezialisierung voraus. Das Argument des Gemeinwohlinteresses spielt nach der neueren EuGH-Rechtsprechung keine Rolle mehr.
Nach der Unterrichtsdefinition des EuGH sind vielmehr weitere einschränkende Kriterien begriffsprägend. Ein bloßer punktuell erteilter, spezialisierter Unterricht erfüllt nicht den vom EuGH formulierten Unterrichtsbegriff. Um den Anforderungen an den begünstigten Unterricht nach dem engen Begriffsverständnis zu genügen, muss der Unterricht im Rahmen eines integrierten Systems der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erbracht werden und auf die Vermittlung eines breiten und vielfältigen Spektrums von Lehrinhalten und Fähigkeiten ausgerichtet sein. Der Unterricht muss an den Lernfortschritt des Teilnehmerkreises anknüpfen. Ein ausgeprägtes Allgemeininteresse an der Erlernung einer Grundfähigkeit kompensiert nicht die Nichterfüllung der einschränkenden Begriffsmerkmale.
Aufgrund des neuen restriktiven Unterrichtsbegriffs des EuGH zweifelte der BFH in der Rechtssache Dubrovin & Tröger – Aquatics daran, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung zum umsatzsteuerfreien von P...