Rz. 30
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der BFH hat mit Urteil vom 22.08.2013, Az: V R 37/10, BStBl II 2014, 128, die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ausgelegt. Nach seiner Entscheidung sind die Regelungen einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i. S. d. § 13b Abs. 5 S. 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen komme es entgegen Abschn. 13b.3 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) nicht an.
Rz. 31
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Im Gefolge dieser Rechtsprechung hat die Verwaltung ihre im UStAE niedergelegte Auffassung über mehrere Schreiben (vgl. z. B. BMF vom 08.05.2014, Az: IV D 3 – S 7279/11/10002-03, BStBl I 2014, 823, BMF vom 26.07.2017, Az: III C 3 – S 7279/11/10002-09, BStBl I 2017, 1001) geändert (vgl. ausführlich Kommentierung zu § 13b UStG). § 27 Abs. 19 UStG beinhaltet diesbezüglich eine Übergangsregelung.
Rz. 32
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Grundsätzlich können die Beteiligten für Bauleistungen, die vor dem 15.02.2014 erbracht wurden (weitere Einzelheiten dazu vgl. BMF vom 08.05.2014, Az: IV D 3 – S 7279/11/1000, BStBl I 2014, 823, und vom 31.07.2014, Az: V A 3 – S 0354/14/10001, IV D 3 – S 7279/11/10002, 2014/0652740, BStBl I 2014, 1073), an der ursprünglichen Verwaltungspraxis festhalten (Nichtbeanstandungsregelung). Machen die Parteien von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist § 27 Abs. 19 UStG zu beachten. Dieser Fall wird ausgelöst, wenn der Leistungsempfänger der Bauleistung (der Bauträger) von seinem FA die nach der o. a. BFH-Entscheidung zu Unrecht gem. § 13b Abs. 5 UStG geschuldete (und abgeführte) USt zurückfordert. Für diesen Fall regelt der Gesetzgeber in § 27 Abs. 19 UStG rückwirkend, dass die Steuer bei den leistenden Unternehmern nachzufordern ist. Ein Vertrauensschutz i. S. d. § 176 AO steht dem nicht entgegen. Der leistende Unternehmer kann in diesem Fall seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger an das FA abtreten, welcher im Anschluss mit der Forderung des Leistungsempfängers aufzurechnen wäre. Demzufolge wird die Umsatzsteuer auch nicht dem Leistungsempfänger (Bauträger) erstattet (im Ergebnis: Nullsummenspiel).
Rz. 33
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Mit Urteil vom 23.02.2017, Az: V R 16, 24/16, V R 16/16, V R 24/16, BStBl II 2017, 760 hat der BFH in seinen Leitsätzen entschieden, dass eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 S. 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden könne, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.
Das FA habe eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 S. 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis komme es nicht an.
Rz. 34
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Weiter hat der BFH festgestellt, dass der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes unionsrechtlich nur zu rechtfertigen sei, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Daher müsse das FA nicht erst im Erhebungsverfahren bei einer Entscheidung über die Abtretung, sondern bereits im Festsetzungsverfahren bei der Prüfung der Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG feststellen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht. Aufgrund der Auslegung des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG habe sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, ob dieser Vorschrift eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung zukommt. Selbst wenn dieser Verfahrensvorschrift Rückwirkung zukommen würde, wäre diese im Hinblick auf die vom Senat angenommene Änderungsvoraussetzung, dass dem Unternehmer ein korrespondierender Zahlungsanspruch zusteht, verfassungsrechtlich unbedenklich.
Rz. 35
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Mit Blick auf diese Rechtsprechung ist zu hoffen, dass nunmehr die Bauträgerfälle gelöst werden können. In diesem Sinne ist auch das o. a. BMF-Schreiben vom 26.07.2017, III C 3 – S 7279/11/10002-09, BStBl I 2017, 1001 zu lesen.
Rz. 36
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Noch vor dem BFH (Az: V R 49/17) anhängig ist die vom FG München mit Urteil vom 10.10.2017, Az: K 344/16 aufgeworfene Frage, ob ein Bauträger, der die bebauten Grundstücke weiterveräußert oder vermietet hat, in den Jahren 2011 bis 2013 nach § 13b UStG die Umsatzsteuer für Baule...