Rz. 158
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Vorsteuerabzug erfolgt grundsätzlich in dem Voranmeldungszeitraum, in dem alle Voraussetzungen des § 15 UStG gemeinsam erfüllt sind. Entscheidend ist, dass der Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistung sowie eine ordnungsgemäße Rechnung erhalten hat. Die Entstehung des Vorsteueranspruchs hängt weder von der Zahlung der Rechnung noch vom Beginn der Verwendung der bezogenen Leistung ab.
Dies galt bisher unabhängig davon, ob der Unternehmer die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten oder nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung) vorgenommen hat. D. h., bei einer Istversteuerung kann der Vorsteueranspruch nach deutschem Umsatzsteuergesetz bereits vor der korrespondierenden Umsatzsteuerschuld entstehen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10.02.2022 (Rs. C-9/20, Grundstücksgemeinschaft Kollausstraße 136, DStR 2022, 255) jedoch entschieden, dass aufgrund des Art. 167 MwStSystRL das Recht auf Vorsteuerabzug erst mit Entstehung der Umsatzsteuerschuld entstehen kann. Welche Auswirkungen dieses Urteil in der Praxis hat und wie es ggf. umgesetzt wird, bleibt abzuwarten (vgl. hierzu ausführlich Masuch/Fetzer, NWB 2022, 1032; Tiede, StuB 2022, 261; Seifert, StuB 2022, 191; Mann, USt direkt digital 2022, 2; Korn, Kommentierte Nachricht NWB 2022, 416; Schumann, UR 2022, 481).
Der Zahlungszeitpunkt ist jedoch von Bedeutung, wenn der Leistungsempfänger eine Voraus- oder Abschlagszahlung leistet. In diesem Fall kann er die Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG bereits im Voranmeldungszeitraum der Zahlung geltend machen, obgleich er die Leistung noch nicht erhalten hat. Der Vorsteueranspruch steht jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass die Leistung ausgeführt wird. Bleibt die Leistung aus, wird der ursprünglich in Abzug gebrachte Vorsteuerbetrag gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG wieder rückgängig gemacht.
Rz. 159
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach dem Gesetzeswortlaut verlangt der Vorsteuerabzug, dass der Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ist. Ist der Zahlungsbetrag niedriger als der in der Rechnung ausgewiesene Betrag, beschränkt sich der Vorsteuerabzug auf den Zahlungsbetrag. Liegt der Zeitpunkt des Leistungsbezugs vor dem Zeitpunkt des Rechnungseingangs, steht dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug erst zu, wenn er die Rechnung erhalten hat. Für den Vorsteuerabzug müssen beide Voraussetzungen, d. h. der Leistungsbezug und der Erhalt der Rechnung, vorliegen. Im Falle einer späteren Rechnungserteilung wirkt das Vorsteuerabzugsrecht nicht auf den Zeitpunkt der Leistung zurück. Die deutsche Regelung des § 15 UStG steht im Einklang mit Art. 17 und 18 der 6. EG-RL – jetzt: Art. 167 ff. MwStSystRL (vgl. dazu EuGH vom 29.04.2004, Rs. C-152/02, DB 2004, 1080 und BFH vom 01.07.2004, BStBl II 2004, 861).