2.1.4.1 Begriff, Wesen und Gegenstand
Rz. 15
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Begriffe Vermietung und Verpachtung sind als eigenständige unionsrechtliche Begriffe unter Berücksichtigung der EUGH-Rechtsprechung unionsrechtskonform auszulegen (vgl. Abschn. 4.12.1. Abs. 1 S. 2 UStAE). Entscheidend für eine Vermietung ist die entgeltliche Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks. Der EuGH führt insofern aus, dass das grundlegende Merkmal einer Vermietung von Grundstücken darin bestehe, "dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen" (EuGH vom 25.10.2007, Rs. C-174/06, CO.GE.P, UR 2007, 892; vom 16.12.2010, Rs. C-270/09, MacDonald Resorts, UR 2011, 462; vom 22.01.2015, Rs. C-55/14, Stade Luc Varenne, UR 2015, 347; vgl. auch BFH vom 24.09.2015, Az: V R 30/14, BStBl II 2017, 132 und Abschn. 4.12.1. Abs. 1 S. 3 ff. UStAE).
Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben (EuGH vom 16.12.2010, Rs. C-270/09, MacDonald Resorts, UR 2011, 462; Abschn. 4.12.1. Abs. 1 S. 5 UStAE). Vor diesem Hintergrund ist es auch unschädlich, wenn die Nutzungsüberlassung in einem sonstigen Vertrag, z. B. einem Anstellungsvertrag (vgl. BFH vom 12.02.2011, Az: XI R 9/08, BStBl II 2012, 58, vgl. auch Heidner in Bunjes, § 4 Nr. 12 Rn. 28 f.), geregelt ist. Auch die Überlassung von Wohnräumen an Arbeitnehmer ist eine Vermietung i. S. d. § 4 Nr. 12 UStG (vgl. BFH vom 13.09.1988, Az: V R 46/83, BStBl II 1988, 1021).
Ebenso schließt die Verknüpfung einer Bierbezugsverpflichtung mit einem Pachtvertrag die Steuerfreiheit hinsichtlich der Verpachtungsleistung nicht aus (vgl. BFH vom 31.07.1987, Az: V R 148/78, BStBl II 1987, 754).
Auch das Einräumen von Liegerechten zur Einbringung von Urnen unter Begräbnisbäumen kann in diesem Kontext steuerfrei sein, wenn räumlich abgrenzbare individualisierte Parzellen überlassen werden, sodass Dritte von einer Nutzung der Parzelle ausgeschlossen sind (vgl. BFH vom 21.06.2017, Az: V R 3/17 und V R 4/17, UR 2018, 27 ff. und 30 ff.).
Dagegen die als "Unterverpachtung" bezeichnete ideelle Zuordnung von Waldflächen, ohne dass der Leistungsempfänger berechtigt ist, die Flächen wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen, keine nach § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG steuerfreie Leistung (FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2021, Az: 3 K 1844/20, EFG 2022, 283).
Auch Hostingdienste in einem Rechenzentrum, in deren Rahmen ihr Erbringer seinen Kunden, damit diese darin ihre Server unterbringen können, Geräteschränke und, als Nebenleistung, Güter und Dienstleistungen wie Strom und verschiedene Leistungen, mit denen die Nutzung dieser Server unter optimalen Bedingungen gewährleistet werden soll, zur Verfügung stellt, stellen keine steuerfreie Vermietung von Grundstücken dar, sofern zum einen der Dienstleistende seinen Kunden nicht eine Fläche oder einen Standort passiv überlässt und ihnen dabei das Recht zusichert, diese Fläche oder diesen Standort wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen, und zum anderen die Geräteschränke keinen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes bilden, in dem sie stehen, und dort nicht auf Dauer installiert sind (EuGH vom 28.09.2020, MwStR 2020, 743 mit Anm. de Weerth; vgl. hierzu auch Mateev, DStR 2020, 1603).
Rz. 16
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Für die Abgrenzung einer nach Maßgabe des § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung und einer steuerpflichtigen Verwahrung (§§ 688ff. BGB) ist entscheidend, ob das Schwergewicht der Vertragspflichten in der Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks oder in der Obhutspflicht für die hinterlegte Sache liegt (vgl. Heidner in Bunjes, § 4 Nr. 12 Rn. 23).
Keine Gebrauchsüberlassung ist die dauerhafte Duldung ökologischer Ausgleichsmaßnahmen (BFH vom 08.11.2012, Az: V R 15/12, BStBl II 2013, 455 und vom 28.05.2013, Az: XI R 32/11, BStBl II 2015, 1058) oder die entgeltliche Zurverfügungstellung eines Grundstücks für eine Ersatzaufforstung (FG Düsseldorf vom 23.05.2014, Az: 1 K 4581/12 U, EFG 2014, 1519).
Rz. 17
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Bei der Grundstücksverpachtung kommt zur Gebrauchsüberlassung das Recht zur Fruchtziehung (vgl. § 99 BGB) hinzu, etwa natürliche Bodenprodukte zu ernten oder Bodenschätze, z. B. Kies, Sand, Torf, abzubauen.
Soweit sich der Vertrag allerdings von vornherein auf eine bestimmte Menge von Bodenschätzen beschränkt, liegt zivilrechtlich ein Kaufvertrag und umsatzsteuerlich eine Lieferung vor, die nicht unter § 4 Nr. 12 UStG fällt. Auch reine Abernteverträge oder Versteigerungen der Ernte sind mangels Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks nicht steuerbegünstigt (vgl. Englisch in R/D, § 4 Nr. 12 Rn. 66 f.).
Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gegenstand der Vermietung/Verpachtung kann nicht nur ein gesamtes Grundstück sein, sondern auch ein Bruchteil eines Grundstücks, ein Gebäude oder Gebäudeteile, wie Stockwerke, Wohnungen und einzelne Räume (Abschn. 4.12.1. Abs. 3 UStAE). ...