Rz. 142
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ermöglicht § 25a UStG einem Kfz-Händler die Differenzbesteuerung. Diese betrifft ausschließlich Fahrzeuge, die der Händler zulässigerweise ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer eingekauft hat. Die sich hieraus für den Händler nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.04.2009, V R 52/07) bisher ergebenden Risiken mildert ein neueres EuGH-Urteil merklich ab (Urteil vom 18.05.2017, Rs. C-624/15, Litdana; hierzu ausführlich Weimann, ASR 6/2021, 8).
Rz. 143
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Voraussetzung für die Differenzbesteuerung ist, dass der Vorlieferer
- für den Fahrzeugverkauf keine Umsatzsteuer schuldet oder
- ein Kleinunternehmer ist oder
- auf den Fahrzeugverkauf seinerseits die Differenzbesteuerung anwendet,
§ 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG.
In all diesen Fällen ist der Vorlieferer nicht berechtigt, die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Aus dem Fahrzeugerwerb hat der Händler folglich keinen Vorsteuerabzug.
2.14.3.1 Anforderungen an den Vorlieferer
Rz. 144
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Händler kann die Differenzbesteuerung somit anwenden, wenn er das Fahrzeug erwirbt von
- einer Privatperson, die kein Unternehmer ist,
- einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die kein Unternehmer ist,
- einem Unternehmer, der sein Privatfahrzeug veräußert,
- einem Unternehmer, der z. B. als Arzt oder Versicherungsvertreter steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG bewirkt,
- einem Kleinunternehmer (§ 19 UStG),
- einem anderen Händler, der auf die Lieferung ebenfalls die Differenzbesteuerung angewendet hat (Händler-Händler-Geschäft). Dies gilt aber nur, wenn der andere Händler die Differenzbesteuerung zu Recht angewendet hat (Weimann, ASR 6/2021, 8).
2.14.3.2 Rechtsprechung von EuGH und BFH
Rz. 145
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zunächst hatte der BFH folgenden Sachverhalt zu beurteilen (BFH vom 23.04.2009, V R 52/07):
Sachverhalt des BFH-Urteils
Der deutsche Kfz-Händler D erwirbt von einem ebenfalls deutschen Zwischenhändler Z gebrauchte Pkw. Z bringt in seinen Rechnungen an D den Hinweis "Gebrauchtfahrzeuge / Sonderregelung" an (vgl. § 14a Abs. 6 Satz 1 UStG).
Z hat die Fahrzeuge seinerseits vom spanischen Handler ESP1 gekauft, der sie seinerseits vom spanischen Autoverleiher ESP2 erworben hat. SP2 hatte die Fahrzeuge direkt von Hersteller H erworben.
SP1 teilte mit, dass die Fahrzeuge in Spanien der Differenzbesteuerung unterliegen.
D weiß um die Lieferkette
Rz. 146
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der BFH hat die Anwendung der Differenzbesteuerung für D verneint (BFH vom 23.04.2009, V R 52/07):
- Z konnte die Differenzbesteuerung nicht anwenden, weil der spanische Unternehmer ESP1 i. g. geliefert hat (§ 25a Abs. 7 Nr. 1a UStG).
- Auch ESP1 konnte die Differenzbesteuerung nicht in Spanien anwenden, weil er die Fahrzeuge von dem vorsteuerabzugsberechtigten ESP2 eingekauft hatte.
Rz. 147
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ausschlaggebend für den BFH war, dass D die Lieferkette kannte. Offengelassen hat das Gericht, ob die Differenzbesteuerung dann zur Anwendung kommen kann, wenn D die Lieferkette nicht kennt und damit nicht weiß, ob Z in seiner Rechnung zu Recht auf die Differenzbesteuerung hinweist (Weimann, ASR 6/2021, 8).
Rz. 148
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hierzu lag dem EuGH folgender Sachverhalt vor:
Sachverhalt des EuGH-Urteils
Ein litauischer Kfz-Händler (LTU) erwarb von einem dänischen Kfz-Händler (DNK) Gebrauchtfahrzeuge.
Die Rechnungen von DNK an LTU wiesen neben der Steuerfreiheit für i. g. Lieferungen auch auf die Differenzbesteuerung hin.
LTU verkaufte die Fahrzeuge aufgrund dessen differenzbesteuert weiter an litauische Nichtunternehmer.
Eine Steuerprüfung der litauischen Finanzverwaltung kam zu dem Schluss, dass LTU auf die Verkäufe die Differenzbesteuerung ohne Grundlage angewandt habe, weil der Vorlieferer DNK nicht ebenfalls differenzbesteuert geliefert habe.
Rz. 149
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
LTU durfte nach Auffassung des EuGH (Urteil vom 18.05.2017, Rs. C-624/15, Litdana) die Differenzbesteuerung anwenden:
- Hat ein Kfz-Händler
- von einem anderen Kfz-Händler (Vorlieferer) im übrigen Gemeinschaftsgebiet
- ein Fahrzeug erworben und
- weist der Vorlieferer in seiner Rechnung sowohl auf die Differenzbesteuerung als auch auf einen steuerfreien Umsatz hin,
- kann der Kfz-Händler die Differenzbesteuerung anwenden,
- auch wenn der Vorlieferer die Differenzbesteuerung nicht durchgeführt hat.
Rz. 150
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Differenzbesteuerung kann in entsprechender Anwendung der aus der Prüfung von missbräuchlichem Vorsteuerabzug bekannten Grundsätze nur dann versagt werden, wenn der Kfz-Händler
- nicht in gutem Glauben gehandelt oder
- nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
Rz. 151
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Wichtig: Allein die (zusätzliche) Angabe in der Rechnung, dass ein steuerfreier Umsatz vorliegt, ist nach Auffassung des EuGH kein Umstand, der bei dem Unternehmer den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten ode...