Rz. 34
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ein Vertrag besonderer Art liegt vor, wenn die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber anderen, wesentlicheren Leistungen zurücktritt (vgl. Ramb, NWB 2021, 2990). Bei diesem Vertrag kommt weder für die gesamte Leistung noch für einen Teil der Leistung die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 12 UStG in Betracht (vgl. Abschn. 4.12.6. Abs. 1 S. 1 und 2 UStAE). Soweit der EuGH mit entsprechenden Fallkonstellationen befasst war, kam er zumeist unter Abstellen auf das entscheidende Merkmal der Grundstücksüberlassung zum gleichen Ergebnis der Steuerpflicht (vgl. Rz. 15).
Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Abschn. 4.12.6. Abs. 2 UStAE (vgl. auch Ramb, NWB 2021, 2990) liegen u. a. in folgenden Fällen Verträge besondere Art vor:
- bei der Überlassung möblierter Zimmern an Prostituierte, wenn zusätzliche Leistungen (Überlassung eines Platzes in einem sog. Kober zur Kontaktaufnahme und Vertragsanbahnung, Ausstattung der Räume mit einem Alarmknopf und Gegensprechanlage, die Reinigung der Zimmer, der Verkauf von Getränken und Süßwaren gegen gesondertes Entgelt und die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen) der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben als einer Vermietung (BFH-Urteil vom 17.12.2014, Az: XI R 16/11, BStBl II 2015, 427; vgl. auch BFH-Beschluss vom 07.02.2017, Az: V B 48/16, HFR 2017, 431 zur Zimmerüberlassung in einem Bordell; BFH vom 24.02.2021, Az: XI R 4/19, HFR 2021, 1114 zur kurzzeitigen Überlassung von möblierten Wohnungen zum Zwecke der Ausübung der Prostitution in einem sog. Rotationsverfahren; FG Hamburg vom 17.05.2022, Az: 2 K 9/20, EFG 2022, 1327 zur Vermietung von Zimmern an Prostituierte in sog. Steigen). Dagegen ist die kurzzeitige Überlassung von Zimmern in einem "Stundenhotel" eine steuerfreie Vermietungsleistung (BFH vom 24.09.2015, Az: V R 30/14, UR 2015, 950; Abschn. 4.12.9. Abs. 1 S. 3 UStAE; kritisch Widmann, DStR 2015, 2823).
- bei der Überlassung von Lager- und Kühlräumen, bei denen die Obhut für die eingelagerten Güter und deren Kühlung im Vordergrund steht (BFH vom 14.11.1968, Az: V 191/65, BStBl II 1969, 120),
- beim Überlassen von Außenwandflächen oder Dachflächen eines Gebäudes zu Reklamezwecken (BFH vom 23.10.1957, Az: V 153/55 U, BStBl III, 457) oder die Gestattung der Werbung an Litfaßsäulen und Anschlagstafeln (BFH vom 31.7.1962, Az: I 283/61 U, BStBl III, 476),
- bei der Gestattung der Benutzung eines Sportplatzes (vgl. BFH vom 31.05.2001, Az: V R 97/98, BStBl II 2001, 658), eines Schwimmbades, einzelner Schwimmbahnen (vgl. BFH vom 10.02.1994, Az: V R 33/92, BStBl II 1994, 668) oder einer Golfanlage an vereinsfremde Spieler (vgl. BFH vom 09.04.1987, Az: V R 150/78, BStBl II 1987, 659), vgl. zu Sportanlagen auch Rz. 37 f.)
- bei einem Tankstellenvertrag, wenn Tankstellenagenturvertrag und Tankstellenmietvertrag eine Einheit bilden und der Tankstellenmietvertrag nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH vom 21.04.1966, BStBl III 1966, 415),
- beim Betreiben eines Altenpflegeheimes, mit umfassender medizinischer und pflegerischer Betreuung und Versorgung der Heiminsassen (BFH vom 21.04.1993, Az: XI R 55/90, BStBl II 1994, 266),
- bei der Gestattung an Automatenaufsteller, Zigarettenautomaten, Verkaufsautomaten oder Spielautomaten aufzustellen (EuGH vom 12.06.2003, Rs. C-275/01, Sinclair Collins, UR 2003, 348),
- bei der Einräumung eines Fischereirechts (vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-451/06, Walderdorff, UR 2008, 266, der allerdings darauf abstellt, dass keine Vermietung eines Grundstücks vorliegt, weil nicht das Recht eingeräumt wurde, das Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen).
Rz. 36
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Duldet ein Grundstückseigentümer, dass gegen Zahlung eines sog. Entschädigungsbetrags oder Nutzungsentgelts auf seinem Grundstück eine Sirenenanlage angebracht, betrieben und unterhalten wird, ist § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG nicht anzuwenden (vgl. BMF vom 04.08.1980, Az: IV A 2 – S 7100 – 51/80, UR 1980, 211). Allerdings wird bei Standortmietverträgen über Funkfeststationen die Steuerfreiheit bejaht (vgl. OFD Nürnberg vom 11.08.2003, Az: S 7168 – 104/St 43, UR 2003, 436). Die Überlassung von Grundstücksteilen zur Errichtung von Strommasten für eine Überlandleitung, die Einräumung des Rechts zur Überspannung und die Bewilligung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur dinglichen Sicherung dieser Rechte stellt dagegen insgesamt eine einheitliche sonstige Leistung dar, die nach § § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist (vgl. Abschn. 4.12.8. Abs. 2 UStAE sowie Rz. 45 a. E.).
Dementsprechend sollte auch die Grundstücksüberlassung für Windkraftanlagen, bei denen die Duldung der Beeinträchtigung des übrigen Grundstücks durch den Betrieb der Anlage hinzu kommt, ebenfalls insgesamt steuerfrei sein (so auch OFD Niedersachsen vom 14.09.2016, Az: S 7168-132-St 173; differenzierend Herbort, NWB 2015, 3257; einen Vertrag besonderer Art annehmend Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl. 2022, 720).
Die entgeltliche Überlassung...