Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
2.2.1 Lieferungen
2.2.1.1 Lieferungsbegriff (i. S. v. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 UStG)
Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 3 Abs. 1 UStG definiert Lieferungen eines Unternehmers als Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, gem. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen). Der Begriff der Lieferung setzt nicht Entgeltlichkeit voraus, diese ist vielmehr ein gesondertes Tatbestandsmerkmal eines steuerbaren Umsatzes (BFH vom 11.11.1987, Az: X R 62/81, BStBl II 1988, 194).
Rz. 36
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Mit der Verwendung des Wortes "Gegenstand" als Lieferungsmerkmal in § 3 Abs. 1 UStG 1934 sollte keine wesentliche Änderung gegenüber dem zuvor verwendeten Wort "Sachen" (körperliche Gegenstände, § 90 BGB) vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, bereits RFH vom 21.11.1941, Az: V 109/40, RStBl 1942, 285, m. w. N.). Das Wort "Gegenstand" wurde deswegen gewählt, damit auch Wirtschaftsgüter, die im Verkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, miterfasst werden, z. B. elektrischer Strom, Wasserkraft, Firmenwert/Geschäftswert/Praxiswert, sowie unbewegliche Sachen wie Grundstücke, Sachgesamtheiten und alle übrigen Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie Sachen behandelt werden (vgl. Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL).
2.2.1.2 Abgrenzung zu sonstigen Leistungen
Rz. 37
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Folgende Lieferungen sind gegenüber den auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen abzugrenzen: Lieferungen von Gegenständen, bei denen lediglich die Bestellung und Auftragsbearbeitung auf elektronischem Weg angebahnt und abgewickelt wurde, Lieferungen von körperlichen Datenträgern (z. B. CD, DVD), Lieferungen von Druckerzeugnissen wie Büchern, Newslettern, Zeitungen und Zeitschriften, Lieferungen von Spielen auf CD/DVD. Ausführlich hierzu vgl. die Kommentierung zu § 3.
2.2.2 Sonstige Leistungen
2.2.2.1 Allgemeines
Rz. 38
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Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen. Dem Unterlassen oder Dulden steht ein Verzicht gleich.
Rz. 39
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Lt. EuGH und BFH ist i. d. R. jede Dienstleistung als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten, andererseits darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespalten werden (EuGH vom 25.02.1999, Rs. C-349/96, UR 1999, 254; BFH vom 21.05.2001, Az: V R 97/98, BStBl II 2001, 658). Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen; eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (BFH vom 02.03.2006, Az: V R 25/03, BStBl II 2006, 788; zum Einklang mit EuGH-Rechtsprechung vgl. BFH vom 22.08.2006, Az: V B 59/04, BFH/NV 2007, 116).
Rz. 40
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Entgeltliche Leistungen mehrerer Unternehmer sind auch dann für sich einzeln zu beurteilen, wenn sie gegenüber demselben Leistungsempfänger erbracht werden und demselben wirtschaftlichen Ziel dienen (BFH vom 18.04.2007, Az: V B 157/05, BFH/NV 2007, 1544).
Rz. 41
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In den Fällen der §§ 27 und 54 des Urheberrechtsgesetzes führen die Verwertungsgesellschaften und die Urheber sonstige Leistungen aus (§ 3 Abs. 9 S. 2 UStG).
Rz. 42
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Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG). Der Gesetzgeber grenzt damit die als sonstige Leistungen anzusehenden Restaurationsumsätze von den Lieferungen von Nahrungsmitteln im Wege der Typisierung ab. Zur Ortsbestimmung von Restaurationsleistungen vgl. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG.
Rz. 43
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Besorgen einer sonstigen Leistung (i. S. d. § 3 Abs. 11 UStG) liegt vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen durch einen Dritten erbringen lässt (Leistungseinkauf) oder wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen an Dritte erbringt (Leistungsverkauf). Besorgt ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung, so sind die für die besorgten Leistungen geltenden Befreiungsvorschriften (z. B. § 4 Nr. 8 Buchst. a oder d UStG) auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden (BFH vom 31.01.2002...