Rz. 87
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach einem Wechsel der Besteuerungsform von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung (Option) müssen die Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungen der letzten Jahre analysiert werden, ob der Land- und Forstwirt ggf. zusätzliche Vorsteuern beim FA beantragen kann oder möglicherweise Beträge an das FA zurückzahlen muss.
Bei laufenden Eingangsrechnungen, die um den Zeitpunkt des Wechsels der Besteuerungsform eingehen, ist zu prüfen, welchem Besteuerungszeitraum sie zugeordnet werden müssen und ob demnach ein tatsächlicher Vorsteuerabzug daraus möglich ist (Regelbesteuerung) oder ob die Vorsteuer durch die Pauschalsätze abgegolten ist (Durchschnittssatzbesteuerung). Hinweise zum Vorsteuerabzug beim Wechsel der Besteuerungsform enthält Abschn. 15.1 Abs. 5 und 6 UStAE.
Rz. 88
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Soweit für vergangene Investitionen der jeweilige Berichtigungszeitraum des § 15a UStG noch nicht abgelaufen ist, muss der Land- und Forstwirt zu seinen Gunsten oder Ungunsten Vorsteuerberichtigungsbeträge berechnen (§ 15a Abs. 7 UStG; vgl. auch die Kommentierung zu § 15a). Erfolgt der Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, ergeben sich für den Land- und Forstwirt Vorsteuerkorrekturen zu seinen Gunsten, d. h., er erhält für vergangene Investitionen noch nachträglich Vorsteuerbeträge vom FA erstattet. Wechselt der Land- und Forstwirt von der Regelbesteuerung zurück zur Durchschnittssatzbesteuerung, können sich für den Land- und Forstwirt Vorsteuerkorrekturen zu seinen Ungunsten ergeben, d. h., er muss anteilige Vorsteuerrückzahlungen an das FA leisten. Hinweise zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Wechsel der Besteuerungsform enthalten Abschn. 15a.9. UStAE sowie die Kommentierung zu § 15a Berichtigung des Vorsteuerabzugs, Rz. 71.
Rz. 89
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dieselben Grundsätze gelten, wenn der Land- und Forstwirt die Besteuerungsform nicht freiwillig wechselt. Durch die Einführung der Umsatzgrenze von 600.000 EUR in § 24 Abs. 1 UStG zum 01.01.2022 (vgl. Rz. 13) wurden größere landwirtschaftliche Betriebe, die aufgrund der früheren Fassung des UStG die Durchschnittsbesteuerung anwenden konnten, automatisch zu Regelbesteuerern. Im Gegenzug dürfen die betroffenen Land- und Forstwirte dann jedoch auch die tatsächlich auf ihren Eingangsumsätzen lastenden Vorsteuerbeträge abziehen.
Mit der Frage, ob ein Land- und Forstwirt bereits 2021 tatsächlich angefallene Vorsteuern geltend machen konnte, falls absehbar war, dass er wegen Überschreitens der Umsatzgrenze von 600.000 EUR ab dem 01.01.2022 zur Regelbesteuerung übergehen musste und 2021 bezogene Eingangsleistungen erst für regelbesteuerte Umsätze im Jahr 2022 verwendet wurden, hatten sich das FG Niedersachsen und der XI. Senat des BFH zu beschäftigen. Nach Ansicht des FG ist § 24 Abs. 1 S. 4 UStG richtlinienkonform auszulegen. Dem Unternehmer sei daher der Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn er im Moment des Leistungsbezugs 2021 die nachzuweisende Absicht hatte, die bezogenen Leistungen für regelbesteuerte Ausgangsumsätze 2022 zu verwenden (FG Niedersachsen v. 05.05.2022, 11 K 196/21). Der BFH lehnt jedoch einen vorzeitigen Vorsteuerabzug ab und bestätigt das "Stichtagsprinzip" der Finanzverwaltung. Solange die Pauschalierung angewendet wird, ist ein tatsächlicher Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 S. 4 UStG ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug kann allenfalls 2022 nach § 15a Abs. 7 UStG berichtigt werden (BFH-Urteil vom 12.07.2023, XI R 14/22). Revision beim BFH anhängig unter Az XI R 14/22).