Rz. 36

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Die bisher unter Art. 202-204 ZK erfassten Tatbestände des unerlaubten Verbringens (Art. 202 ZK), des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 203 ZK) und der sonstigen Verfehlungen gegen zollrechtliche Vorschriften (Art. 204 ZK) waren häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen aller Instanzen einschließlich des EuGH, zum einen wegen der Abgrenzung der Tatbestände und der damit verbundenen unterschiedlichen Zollschuldner und zum anderen deshalb, weil in vielen Fällen die unzureichenden Korrekturvorschriften in keinem ausgewogenen Verhältnis zur Zollschuldentstehung standen (vgl. hierzu Rz. 53 der Vorauflage).

Mit Einführung des UZK sind diese verschiedenen Tatbestände in Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK zusammengefasst worden. Nunmehr entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn "eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet" nicht erfüllt ist. Aus der Fülle der Rechtsprechung zu Art. 202 bis 204 ZK seien jeweils nur einige Beispiele genannt:

 

Rz. 37

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Eine Einfuhrschuld entsteht, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht wird. Zeitlich ist das Verbringen nicht auf den reinen Grenzübertritt beschränkt, sondern erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum bis zur Gestellung; wenn innerhalb dieses Zeitraums die Ware gestohlen wird, gilt sie als unerlaubt verbracht. Vorschriftswidriges Verbringen ist nicht nur der bewusste Schmuggel von Waren sondern auch das unbewusste Verbringen von versteckter und damit bei der ESumA bzw. der Gestellung nicht erklärter Ware, z. B. die von einem Dritten in einem Leerraum verborgenen Zigaretten (vgl. dazu auch § 8 S. 2 ZollV, wonach versteckte Waren ausdrücklich zu gestellen sind).

 

Rz. 38

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Der Begriff des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung ist so zu verstehen, "dass er jede Handlung oder Unterlassung erfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware . . . gehindert wird" (EuGH vom 01.02.2001, Rs. C-66/99, D. Wandel GmbH, BFH/NV 2001, Beilage 3, 202–206).

Typische Fälle stellen dar:

  • das Entfernen der Waren vom Ort der vorübergehenden Verwahrung ohne Zustimmung der Zollbehörden (Art. 148 Abs. 5 UZK),
  • Nichterledigung eines Versandverfahrens, auch wenn die Waren letztlich in ein Drittland weiterbefördert werden,
  • Verarbeitung der Ware ohne Zustimmung der Zollbehörden.
 
Praxis-Beispiel

Ein Pickup aus den USA wird mittels Versandverfahrens von Antwerpen nach Dänemark befördert; unterwegs wird das Fahrzeug heimlich mit einer Abschleppausrüstung versehen, die nach der Verzollung mit dem wesentlich günstigeren Zollsatz für Abschleppfahrzeuge wieder abgebaut wird.

Lösung:

Der ungenehmigte Umbau stellt ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung dar.

 

Rz. 39

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Weitere, früher unter Art. 204 ZK fallende sonstige Verstöße können vielfältiger Natur sein, zumeist handelt es sich um Fristüberschreitungen, z. B. die nicht rechtzeitige Anmeldung der Ware zur Überführung in ein Zollverfahren nach vorangegangener vorübergehender Verwahrung innerhalb der 90-Tage-Frist (Art. 149 UZK), oder die nicht rechtzeitige Gestellung der Ware im Rahmen eines externen Unionsversandverfahrens (Art. 233 Abs. 1 Buchst. a UZK). Instruktiv auch das Urteil des EuGH vom 06.09.2012, Rs. C-28/11, Eurogate Distribution I, betreffend die verspätet vorgenommene Eintragung von Veränderungen in der Buchhaltung eines Zolllagers.

 

Rz. 40

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Der Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld ist der Moment, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist (Art. 79 Abs. 2 Buchst. a) UZK).

 

Rz. 41

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Die örtliche und nationale Zuständigkeit der erhebenden Zollbehörde sowie die Entstehung der EUSt wird durch den Ort der Zollschuldentstehung bestimmt (Art. 101 Abs. 1 UZK). Grundsätzlich entsteht die Zollschuld dort, wo die Zollanmeldung abgegeben wird (Art. 87 Abs. 1 UA 1 UZK), ansonsten dort, wo der Entstehungstatbestand verwirklicht wurde (Art. 87 Abs. 1 UA 2 UZK) und hilfsweise dort, wo das Entstehen festgestellt wird (Art. 87 Abs. 1 UA 3 UZK). Kommen mehrere Orte in Betracht, so ist maßgeblich der Ort, an dem die Zollschuld zuerst entstanden ist (Art. 87 Abs. 3 UZK). Für Fälle nicht beendeter Zollverfahren finden ergänzend die Art. 77–80 UZK-DA Anwendung. Bei einer Zollschuld von weniger als 10.000 EUR gilt die Zollschuld als in dem Mitgliedstaat entstanden, in dem ihre Entstehung festgestellt wurde (Art. 87 Abs. 4 UZK). Für Einzelheiten wird auf die Kommentierungen zu Art. 87...

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