Rz. 63
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Unternehmer kann den Vorsteuerabzug nur für Leistungen beanspruchen, die für sein Unternehmen bezogen wurden (vgl. z. B. BFH vom 20.12.1984, BFHE 142, 524). Es muss somit bei jeder Eingangsleistung beurteilt werden, ob die bezogene Leistung dem Unternehmensbereich vollständig, teilweise oder nicht zugeordnet werden kann. D. h., der Unternehmer muss für jeden Leistungsbezug eine Zuordnungsentscheidung treffen. Nur für die dem Unternehmen zugordneten Leistungsbezüge kann der Unternehmer unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
Rz. 64
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Objekt der Zuordnungsentscheidung ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug. Hierzu zählt jeder Liefergegenstand und jede sonstige Leistung. Werden Erhaltungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht in Anschaffungs- oder Herstellungskosten umgewandelt, sind sie umsatzsteuerrechtlich dennoch als eigenes Objekt (sonstige Leistung) für den Vorsteuerabzug zu beurteilen (vgl. Abschn. 15.2c. Abs. 9 UStAE). Selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter i. Z. m. Grundstücken (z. B. Garage, Photovoltaikanlagen auf Gebäuden etc.) sind eigenständige Zuordnungsobjekte.
Rz. 65
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Zuordnung eines Leistungsbezugs zum Unternehmen verlangt eine Zuordnungsentscheidung des Unternehmens bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Gegenstands (vgl. BFH vom 17.12.2008, BFH/NV 2009, 798, Niedersächsisches FG vom 03.01.2008, DStRE 2008, 894, FG Rheinland-Pfalz vom 06.08.2008, NWB 2008 F 1, 326, BFH vom 11.04.2008, DB 2008, 2007). Der Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer verlangt, dass der Unternehmer die Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs trifft. Eine Zuordnungsentscheidung setzt voraus, dass ein Zuordnungswahlrecht besteht (BFH vom 03.08.2017, NWB Datenbank, RAAAG-64229, Rn. 18 f. m. w. N.), also eine gemischte Nutzung eines Gegenstandes vorliegt. Zu beachten ist jedoch, dass nicht jede gemischte Nutzung eines Gegenstandes zu einem Zuordnungswahlrecht führt. Ein Zuordnungswahlrecht besteht nur bei gemischter Nutzung eines Gegenstandes für den unternehmerischen und nichtunternehmerischen/unternehmensfremden Bereich. Im Fall einer gemischten Nutzung im unternehmerischen und nichtwirtschaftlichen Bereich i. e. S. (z. B. hoheitliche Tätigkeit) gilt ein Aufteilungsgebot (vgl. BFH vom 03.08.2017, NWB Datenbank, RAAAG-64229, Rn. 18 f. m. w. N., Abschn. 15.2c. Abs. 14 S. 5 UStAE mit Verweis auf Ausnahmeregelung; siehe auch Übersicht Rz. 67, 71).
Nach außen dokumentiert wird die Zuordnungsentscheidung i. d. R. im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in den der Leistungsbezug fällt. Die Zuordnungsentscheidung muss "zeitnah" erfolgen. Bis wann und in welcher Form eine Dokumentation gegenüber der Finanzbehörde spätestens zu erfolgen hat, ist derzeit nicht eindeutig. Mit Urteil vom 04.05.2022 (NWB Datenbank, CAAAJ-16571) hat der BFH die bisher sehr formale Handhabung der Finanzverwaltung durchbrochen.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung zeitnah, sofern sie bis spätestens 31.07. des dem Leistungsbezug folgenden Jahres vorgenommen wird. Damit knüpft die Finanzverwaltung an die gesetzliche Abgabefrist der Jahreserklärung an. Eine Fristverlängerung zur Abgabe der gesetzlichen Abgabefrist der Umsatzsteuerjahreserklärung hat auf den Zeitpunkt der Dokumentation keine Auswirkung. D. h., die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung muss unabhängig von der tatsächlichen Abgabe der Umsatzsteuererklärung spätestens am 31.07. des Folgejahres durchgeführt worden sein (vgl. Abschn. 15.2c. Abs. 14 ff. UStAE). Erfolgt die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung erst nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist – also z. B. mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung zu einem späteren Zeitpunkt –, wäre der Vorsteuerabzug mangels rechtzeitiger und damit nicht zeitnaher Zuordnung des Gegenstandes zum unternehmerischen Bereich nicht mehr möglich. Diese sehr formale Handhabung wird durch das Urteil des BFH vom 04.05.2022 (NWB Datenbank, CAAAJ-16571) durchbrochen bzw. differenzierter behandelt.
In seinem Leitsatz stellt der BFH Folgendes fest: „Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH-Urteil vom 07.07.2011 - V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden (BFH vom 04.05.2022, Az: XI R 21/ XI R 7/19, NWB Datenbank, CAAAJ-16571). Der Urteilsbegründung kann entnommen werden, dass es bei objektiv erkennbaren Anhaltspunkten für eine Zuordnung keiner gesonderten Mitteilung gegenüber der Finanzbehörde bedarf. Ob eine Beurteilung und damit eine Zuordnungsentscheidung getroffen wurde, hat nach Ansicht des BFH unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten de...