Rz. 77
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Berichtigungsverfahren gliedert sich in mehrere Teilschritte. In einem ersten Schritt muss u. E. die Rechnung berichtigt werden, da dies bereits ein allgemeines Kriterium des § 14c Abs. 1 S. 2 UStG ist (vgl. Korn in Bunjes, § 14c UStG, Rz. 40). Da für die Art der Berichtigung keine speziellen Regelungen im Gesetz enthalten sind, gelten im Zweifel die dafür durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 14c Abs. 1 UStG (die Verwaltung fordert nach Abschn. 14c.2. Abs. 3 S. 1 UStAE eine "Ungültigerklärung des Steuerausweises"; a. A. offenbar Sächsisches FG vom 29.07.2013, Az: 6 K 429/12 (rkr.), Tenor "1. Die Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG setzt keine Korrektur der zuvor erteilten Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen voraus.").
Rz. 78
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Im zweiten Schritt muss der Rechnungsaussteller beim zuständigen FA schriftlich einen Antrag auf Berichtigung stellen, den das FA anschließend prüft. Der Antrag ist gesondert zu stellen, d. h., die Berichtigung darf nicht stillschweigend im Rahmen einer Voranmeldung oder der Jahreserklärung vorgenommen werden, da ansonsten der Verwaltung das Bewusstsein über den Vorgang und die erforderlichen Prüfungshandlungen fehlen könnte. In diesem Antrag muss der Rechnungsempfänger hinreichend benannt werden (vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 5 S. 2 UStAE; zur Unmöglichkeit der Benennung der Rechnungsempfänger vgl. österreichische EuGH-Vorlage Az: C-378/21), da das FA bei dem für den Rechnungsempfänger zuständigen FA weitere Überprüfungen vornehmen muss. Zu diesem Antrag gehört u. E. auch die Vorlage der entsprechenden Unterlagen. Im Rahmen der Bearbeitung fragt das für den Rechnungsaussteller zuständige FA bei dem für den Rechnungsempfänger zuständigen FA an, ob, wann und in welcher Höhe der Rechnungsempfänger aus der Rechnung Vorsteuern beansprucht hat, und für den Fall des beanspruchten Vorsteuerabzugs, ob und wann dieser rückgängig gemacht und der entsprechende Betrag zurückgezahlt wurde. Erst nach erfolgter Rückzahlung ist die Steuergefährdung beseitigt (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/1562 vom 23.09.2003, 50).
Rz. 79
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach dem Urteil des BFH vom 16.09.2015 (Az: XI R 47/13, BFH/NV 2016, 428) gilt: "Eine Gefährdung des Steueraufkommens ist nicht i. S. v. § 14c Abs. 2 S. 3 UStG beseitigt, wenn die zuständige Steuerfahndungsstelle Zweifel daran hat, ob in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich ausgeführt worden sind." Nach dem Beschluss des BFH vom 03.11.2016 (Az: V B 81/16, BFH/NV 2016, 330) gilt: "Die Gefährdung des Steueraufkommens kann auch dann beseitigt sein, wenn der Rechnungsempfänger wegen einer Umsatzsteuersonderprüfung an der Durchführung des begehrten Vorsteuerabzugs tatsächlich gehindert war." Vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 3 S. 6 UStAE unter Verweisung auf BFH vom 08.11.2016 (Az: VII R 34/15, BStBl II 2017, 496): es muss endgültig feststehen, dass jedwede Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist.
Rz. 80
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Rechnungsaussteller erhält nunmehr in einem dritten Schritt die Zustimmung der Finanzverwaltung zur Berichtigung des Steuerbetrages (ggf. in der Höhe beschränkt) und Mitteilung über den Besteuerungszeitraum, in dem er die Berichtigung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG vornehmen kann (vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 3 S. 7 UStAE, die Zustimmung ist nicht von einer Rückzahlung eines vereinnahmten Betrages durch den Steuerschuldner an den Belegempfänger abhängig). Die Zustimmung des FA stellt einen Verwaltungsakt (auch stillschweigend durch Erlass eines Änderungsbescheids möglich), jedoch keinen Grundlagenbescheid und auch keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Berichtigung dar (vgl. BFH vom 27.07.2021, Az: V R 43/19, BFHE 274, 175, Rz. 28 und 34 f.). Dies ist der Besteuerungszeitraum, in dem die Steuergefährdung beseitigt wurde, im Zweifel also der Besteuerungszeitraum, in dem der Rechnungsempfänger die Vorsteuern an das FA zurückzahlt (vgl. § 14c Abs. 2 S. 5 UStG und Abschn. 14c.2. Abs. 5 S. 5 UStAE). Wurde beim Empfänger der Rechnung kein Vorsteuerabzug geltend gemacht, ist die Berichtigung beim Aussteller der Rechnung für den Zeitraum zu berichtigen, in dem die Steuer entstanden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG [aktuell: Nr. 3] = Ausgabe der Rechnung; Abschn. 14c.2. Abs. 5 S. 6 UStAE; vgl. FG Baden-Württemberg vom 21.02.2008, Az: 12 K 53/03, EFG 2008, 1158 – das FG bezweifelt offenbar die Rechtmäßigkeit dieser Richtlinienregelung; vgl. Rz. 25 ff.). Für die Berichtigung der Steuerbescheide gelten die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (Abschn. 14c.2. Abs. 8 UStAE).
Rz. 81
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Kann das FA den Steuerbetrag vom Rechnungsempfänger nicht mehr zurückerhalten, scheidet demnach eine Berichtigung der Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG aus. Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH vom 22.02.2001, Az: V R 5/99, BStBl II 2004, 143; BFH vom 08.03.2001, Az: V R 61/97, BSt...