Dipl.-Finanzwirt Frank Henseler
Rz. 50
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Voraussetzung für die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ist, dass er nachhaltig Bauleistungen erbringt. Hiervon ist auszugehen, wenn
- der Leistungsempfänger im vorangegangenen Kj. Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG erbracht hat, deren Bemessungsgrundlage (§ 10 UStG) mehr als 10 % der Summe seiner steuerbaren Umsätze betragen hat, oder
- der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegt.
Rz. 51
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Unternehmer, die im Zeitpunkt der an sie ausgeführten Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG nachhaltig keine entsprechenden Umsätze erbringen, sind als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, selbst wenn sie im weiteren Verlauf des Kj. derartige Umsätze erbringen (Abschn. 13b.3 UStAE). Die 10 %-Grenze ist eine Ausschlussgrenze. Unternehmer, die Bauleistungen unterhalb dieser Grenze erbringen, sind danach grundsätzlich keine bauleistenden Unternehmer.
Rz. 52
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Es ist davon auszugehen, dass der Leistungsempfänger Bauleistungen nachhaltig erbringt, wenn der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegt. Die Verwendung dieser Freistellungsbescheinigung muss durch den Leistungsempfänger ausdrücklich für umsatzsteuerliche Zwecke erfolgen. Der leistende Unternehmer kann nicht zwingend davon ausgehen, dass sein Leistungsempfänger (Auftraggeber) Unternehmer ist, der nachhaltig Bauleistungen erbringt, wenn dieser ihm zu einem früheren Zeitpunkt als leistender Unternehmer für ertragsteuerliche Zwecke eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorgelegt hat.
Rz. 53
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hat der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer bereits für einen Umsatz eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG für umsatzsteuerliche Zwecke vorgelegt, kann der leistende Unternehmer in der Folgezeit davon ausgehen, dass dieser Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt. Einer erneuten Vorlage der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG durch den Leistungsempfänger bedarf es insoweit nicht. Dies gilt nicht, wenn die Freistellungsbescheinigung nicht mehr gültig ist. Für diesen Fall muss der Leistungsempfänger erneut darlegen, ob er nachhaltig Bauleistungen erbringt oder nicht.
Rz. 54
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Verwendet der Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung i. S. v. § 48b EStG, ist er als Leistungsempfänger Steuerschuldner, auch wenn er tatsächlich kein bauleistender Unternehmer ist. Dies gilt nicht, wenn der Leistungsempfänger eine gefälschte Freistellungsbescheinigung verwendet und der leistende Unternehmer hiervon Kenntnis hatte.
Rz. 55
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei Organschaftsverhältnissen ist der Organträger nur insoweit als Leistungsempfänger Steuerschuldner, als er oder die einzelne Organgesellschaft selbst nachhaltig Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG erbringt. Die vorstehend angeführten Tatbestandmerkmale sind auf den jeweiligen Unternehmensteil anzuwenden, der Bauleistungen erbringt (Abschn. 13b.3 Abs. 7 UStAE).
Rz. 56
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Erbringt bei einem Organschaftsverhältnis nur ein Teil des Organkreises (z. B. der Organträger oder eine Organgesellschaft) nachhaltig Bauleistungen, ist der Organträger nur für die Bauleistungen Steuerschuldner, die an diesen Teil des Organkreises erbracht werden. Bei der Berechnung der 10 %-Grenze sind nur die Bemessungsgrundlagen der Umsätze zu berücksichtigen, die dieser Teil des Organkreises erbracht hat (vgl. Abschn. 13b.3 Abs. 7 S. 2 und 3 UStAE).
Rz. 57
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG ist von Personengesellschaften (z. B. KG, GbR) und Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) nicht anzuwenden, wenn ein Unternehmer eine Bauleistung für den privaten Bereich eines (Mit-) Gesellschafters oder Anteilseigners erbringt, da es sich hierbei um unterschiedliche Personen handelt (vgl. Abschn. 13b.3 Abs. 11 UStAE).
Rz. 58
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Arbeitsgemeinschaften (ARGE) sind auch dann als Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn sie nur eine Gesamtleistung erbringen. Dies gilt bereits für den Zeitraum, in dem sie noch keinen Umsatz erbracht haben. Soweit Gesellschafter einer ARGE Bauleistungen an die ARGE erbringen, ist die ARGE als Leistungsempfänger Steuerschuldner. Bestehen Zweifel, ob die Leistung an die ARGE eine Bauleistung ist, kann Abschn. 13b.3 Abs. 6 UStAE angewendet werden.
Rz. 59
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Steuerschuldnerschaft eines Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 5 S. 2 UStG, der selbst Bauleistungen erbringt, wurde ein klarstellendes BMF-Schreiben mit Anwendungsregelungen herausgegeben (BMF vom 16.10.2009, BStBl I 2009, 1298), dass in Abschn. 13b.3 Abs. 2 und 8 UStAE übernommen wurde.