Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
Rz. 150
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Abfälle, werthaltige
Beauftragt ein Abfallerzeuger oder -besitzer einen Dritten mit der ordnungsgemäßen Entsorgung seines Abfalls, erbringt der Dritte mit der Übernahme und Erfüllung der Entsorgungspflicht eine sonstige Leistung, sofern der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt; hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn über die Entsorgung ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird. Handelt es sich um sog. werthaltigen Abfall, liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor (Entsorgungsleistung gegen Lieferung des Abfalls), ggf. mit Baraufgabe (vgl. Abschn. 10.5 Abs. 2 UStAE). Aus Vereinfachungsgründen kann bei der Abgabe werthaltiger Abfälle davon ausgegangen werden, dass eine zum tauschähnlichen Umsatz führende Beeinflussung der Barvergütung im vorgenannten Sinne grundsätzlich nur vorliegt, wenn die Beteiligten ausdrücklich hierauf gerichtete Vereinbarungen getroffen, also neben dem Entsorgungsentgelt einen bestimmten Wert für eine bestimmte Menge der überlassenen Abfälle vereinbart haben oder diese wechselseitige Beeinflussung offensichtlich ist.
Abfallentsorgung/Abwasserbeseitigung
Der BFH geht von einem Leistungsaustausch zwischen Entsorgungsunternehmen und "Abfallbesitzern" aus (BFH vom 28.02.2002, Az: V R 19/01, BStBl II 2003, 950). Demnach erbringt ein Deponiebetreiber, der sich den Abfallbesitzern gegenüber im eigenen Namen zur Abfallentsorgung verpflichtet und dementsprechend auch deren Abfall entsorgt, an diese steuerpflichtige Leistungen, auch wenn die Deponiebetreiber nach § 3 AbfG, § 16 KrW-/AbfG evtl. nur als Vertreter des entsorgungspflichtigen Landkreises gegenüber den Abfallbesitzern tätig werden dürfen.
Ein Unternehmer, der die einer Gemeinde nach Landesrecht obliegende Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung einschließlich der Errichtung der dafür benötigten Bauwerke übernimmt und dafür u. a. einen vertraglichen Anspruch auf die Förderungsmittel erlangt, die der Gemeinde zustehen, erbringt eine steuerbare Leistung an die Gemeinde. Ein für Rechnung der Gemeinde vom Land an den Unternehmer gezahlter Investitionszuschuss für die Errichtung einer Kläranlage ist Entgelt (i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG) und kein echter Zuschuss (BFH vom 20.12.2001, Az: V R 81/99, BFH/NV 2002, 740).
Abmahngebühren
Bei Verstößen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) kann der Zuwiderhandelnde ggf. auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Verbände, die die dort genannten Unterlassungsansprüche geltend machen, haben dann gegen die abgemahnten Unternehmen grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen (z. B. Gebühren eines beauftragten Rechtsanwalts, sog. Abmahngebühren) gem. § 683 BGB. Insoweit erbringen sie an die abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (BFH vom 16.01.2003, Az: V R 92/01, BStBl II 2003, 732).
Aktien, Ausgabe neuer
Die Ausgabe neuer Aktien ist kein steuerbarer Umsatz. Der Vorsteuerabzug für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Börsengang ist zugelassen, weil die dafür entstandenen Aufwendungen zu den Kostenelementen der versteuerten Ausgangsumsätze gehören (EuGH vom 26.05.2005, Rs. C-465/03, Kretztechnik AG, BFH/NV Beilage 2005, 306).
Arbeitnehmer, Freistellung
Wird für die Freistellung eines Arbeitnehmers, z. B. zur Mitwirkung im Gesellenausschuss oder für die Teilnahme an Lehrgängen oder Versammlungen seitens der Gewerkschaften ein Entgelt (Aufwendungsersatz) gezahlt, handelt es sich nicht um einen Leistungsaustausch (OFD Münster, Kurzinformation USt Nr. 9 vom 03.07.2008).
Aufsichtsratsvergütung
Aufsichtsratsmitglieder sind nach h. M. Unternehmer i. S. d. § 2 UStG, sodass eine Aufsichtsratstätigkeit gegen Zahlung eines Entgelts eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung darstellt (BFH vom 27.07.1972, Az: V R 136/71, BStBl II 1972, 810; vom 07.08.1975, Az: V R 43/71, BStBl II 1976, 57). Die Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft wird nach Auffassung des EuGH nicht selbständig ausgeübt, wenn dieses Mitglied – trotz der Tatsache, dass es die Modalitäten der Ausübung seiner Arbeit frei regelt, das Entgelt, das sein Einkommen darstellt, selbst vereinnahmt, im eigenen Namen handelt und keinem hierarchischen Unterordnungsverhältnis unterliegt – weder für eigene Rechnung noch in eigener Verantwortung handelt und das mit seiner Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko nicht trägt (EuGH, Urteil vom 21.12.2023, Rs. C-288/22, TP). Die deutsche Finanzverwaltung macht es sich in Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 5 UStAE damit zu einfach. Eine variable Vergütung allein führt nicht zu wirtschaftlichem Risiko; auch am Verlust der Gesellschaft muss partizipiert werden. Eine deliktische Haftung soll nach den Schlussanträgen der Generalanwältin nicht genügen. Der EuGH geht darauf in seinem Urteil gar nicht ein und stimmt damit konkludent zu. Ausführlich dazu Weimann, a.a.O.
Die Aufsichtsratstätigkeit in einer privatwirtschaftlich tätig...