Rz. 30
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der EuGH hat in einem Verfahren zum belgischen Umsatzsteuerrecht darauf erkannt, dass Wiederverkäufer endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge als Gebrauchtgegenstände differenzbesteuert zum Ausschlachten weitverkaufen können. Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge noch Teile enthalten, welche die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, sodass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können Zum anderen muss feststehen, dass die Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind (EuGH Urteil vom 17.05.2023, Rs. C-365/22, IT). Hierzu ausführlich Weimann (ASR 12/2023, 12; AStW 2023, 575; GStB 2023, 450); vgl. auch Meurer, MwStR 2023, 617.
2.3.1 Sachverhalt
Rz. 31
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Steuerpflichtige ist ein Unternehmer, der in Belgien für eine im Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen und Autowracks bestehende gewerbliche Tätigkeit zu Mehrwertsteuerzwecken erfasst ist. Im Rahmen dieser Tätigkeit erwirbt er insbesondere Fahrzeuge mit Totalschaden von Versicherungsunternehmen und verkauft sie "zum Ausschlachten" an Dritte weiter.
Die belgische Steuerverwaltung entschied, die Verkäufe von der Differenzbesteuerung auszuschließen. Dem folgte das erstinstanzliche Gericht. Es müsse geprüft werden, ob die vom Steuerpflichtigen verkauften Fahrzeuge die Funktionen behalten hätten, die sie im Neuzustand gehabt hätten, sodass sie im derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden könnten. Letzteres sei bei "zum Ausschlachten" verkauften Fahrzeugen offensichtlich nicht der Fall.
Gegen das Urteil wendete sich die Kassationsbeschwerde des Steuerpflichtigen. Der Kassationshof legte die Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
2.3.2 Entscheidung
Rz. 32
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Sachverhalt des neuen Ausgangsverfahrens unterscheidet sich vom Ausgangsverfahren "Sjelle Autogenbrug" durch die Tatsache, dass der Steuerpflichtige die Teile nicht aus dem endgültig stillgelegten Fahrzeug entnommen hat, sondern das komplette Fahrzeug in seinem derzeitigen Zustand "zum Ausschlachten" wiederverkauft hat, d. h. für eine weitere Verwendung der Teile dieses Fahrzeugs als Ersatzteile.
Rz. 33
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Allerdings kann dieser Unterschied, wie auch die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen ausführt, nicht zu der Annahme führen, dass die Argumentation in Sachen "Sjelle Autogenbrug" nicht auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt übertragen werden könnte.
Rz. 34
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die vom Steuerpflichtigen erworbenen Fahrzeuge sind endgültig stillgelegt und können daher nicht wiederverkauft werden, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverwendet zu werden. Da das Fahrzeug als solches als beweglicher körperlicher Gegenstand per definitionem in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung nicht erneut verwendbar i. S. d. Sonderregelung ist, sind für die Prüfung, ob es als Gebrauchtgegenstand angesehen und ob demnach darauf die Differenzbesteuerung angewandt werden kann, nur die Bestandteile des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die im Rahmen eines Wiederverkaufs an andere Personen erneut verwendbar sind (EuGH vom 17.05.2023, a. a. O.).
2.3.2.1 Doppelbesteuerung soll vermieden werden
Rz. 35
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Eine Auslegung, nach der ein endgültig stillgelegtes Fahrzeug als Gebrauchtgegenstand unter die Regelung der Differenzbesteuerung fallen kann, weil manche seiner Bestandteile erneut verwendbar sind, steht mit dem Ziel dieser Regelung in Einklang. Der EuGH wiederholt insoweit seine Ausführungen in der Rechtssache "Sjelle Autogenbrug" (s. Rz. 23)
2.3.2.2 Prüfung, ob das Kfz verwendbare Bestandteile enthält
Rz. 36
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das vorlegende Gericht muss prüfen,
- ob die wiederverkauften Fahrzeuge noch Bestandteile enthielten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, und die daher in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind, oder
- ob die Fahrzeuge nicht in Wirklichkeit verkauft wurden, um einfach verschrottet oder in einen anderen Gegenstand umgewandelt zu werden. Ein Fahrzeug, aus dem die Bestandteile, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, vom Käufer nicht entnommen werden, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet zu werden, bleibt nämlich nicht in seinem Wirtschaftszyklus und kann daher nicht in den Genuss der Differenzbesteuerung kommen.
2.3.2.3 Berücksichtigung aller objektiven Umstände
Rz. 37
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Im Rahmen dieser Prüfung muss das vorlegende Gericht alle objektiven Umstände berücksichtigen, unter denen der Wiederverkauf erfolgt ist. Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, haben die in der Mehrwertsteuerrichtlinie verwendeten Begriffe nämlich objektiven Charakter und sind unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anwendbar.
Rz. 38
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Checkliste für Differenzbesteuerung beim Verkauf eines stillgelegten Kfz
Während die Berücksichtigung der Absicht eines an einem Geschäft...