2.4.1 Allgemeines
Rz. 47
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Beurteilung, inwieweit Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer steuerfrei sind, wird dadurch erschwert, dass die nationale Rechtslage erheblich von den unionsrechtlichen Vorgaben abweicht (vgl. Korn, UR 2010, 688; Philipowski, UR 2010, 161; Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl. 2022, 792 ff.). Soweit die unionsrechtlichen Vorgaben geringere Anforderungen an die Steuerbefreiung stellen, kommt insofern ein unmittelbares Berufen auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung in Betracht (vgl. BFH vom 24.01.2008, Az: V R 3/05, BStBl II 2012, 267; BayLfSt vom 05.02.2018, UR 2018, 774).
2.4.2 Leistender Unternehmer
Rz. 48
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es auf die Rechtsform des leistenden Unternehmers nicht ankommen und die Steuerbefreiung auch dann anzuwenden sein, wenn
- Personenzusammenschlüsse oder
- juristische Personen
beauftragt werden, an anderen Bildungseinrichtungen Unterricht zu erteilen (Abschn. 4.21.3. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Rz. 49
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dem steht allerdings entgegen, dass sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 14.06.2007, Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 806 und vom 28.01.2010, Rs. C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174) als auch des BFH (vgl. Urteile vom 23.08.2007, Az: V R 10/05, UR 2007, 854 und vom 15.12.2021, Az: XI R 3/20, UR 2022, 628) der Unternehmer auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln muss. Erforderlich ist, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden. Sofern also Einzelunternehmer, Personenzusammenschlüsse oder juristische Personen selbstständige Dozenten mit den Unterrichtsleistungen beauftragen, scheidet sowohl für diese als auch den Dozenten selbst (vgl. Rz. 51 ff.) die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG aus. Die Unterrichtsleistungen müssen selbst oder mittels angestellter Mitarbeitender (zum Einsatz von Arbeitnehmern vgl. FG Münster vom 15.08.2017, Az: 15 K 2689/14, EFG 2017, 1699) erbracht werden.
Rz. 50
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Soweit der BFH mit Vorlage vom 27.03.2019 (Az: V R 32/18, UR 2019, 418) dem EuGH die Frage angetragen hatte, ob die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass der Steuerpflichtige Einzelunternehmer ist, musste der EuGH hierüber nicht entscheiden (EuGH vom 21.10.2021, Rs. C-273/19, Dubrovin & Tröger GbR – Aquatics, UR 2021, 860; BFH vom 16.12.2021, Az: V R 31/21, UR 2022, 254).
2.4.3 Leistungsempfänger
Rz. 51
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Abschn. 4.21.3. Abs. 2 S. 4 UStAE kommt es auf die Frage, wer Vertragspartner der den Unterricht erteilenden Personen und damit Leistungsempfänger im Rechtssinne ist, nicht an (so auch BFH vom 10.06.1999, Az: V R 84/98, BStBl II 1999, 578).
Dies entspricht allerdings nicht der Rechtsprechung des EUGH. Dieser hatte bereits 2007 entschieden, dass die Tätigkeit eines sog. freien Mitarbeiters, der an staatlichen Volkshochschulen Keramik und Töpferkurse durchführt, zwar als Schul- und Hochschulunterricht einzustufen sei, aber deshalb nicht steuerfrei ist, da ein Privatlehrer seine Leistungen "für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung" erbringen müsse. Schädlich sei, wenn der Dozent seine Leistungen gegenüber einer anderen Bildungseinrichtung und nicht direkt gegenüber den Teilnehmern erbringe (vgl. EuGH vom 14.06.2007, Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 806). In der Eulitz-Entscheidung bestätigte der EuGH diese Rechtsprechung (Urteil vom 28.01.2010, Rs. C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174).
Rz. 52
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Allerdings hat der EuGH auch ausgeführt, dass die Erteilung des Privatunterrichts nicht unbedingt das Bestehen eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses zwischen dem Unterrichtenden und den Teilnehmern voraussetzt (Urteil vom 14.06.2007, Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 806). Während Korn (DStR 2010, 688) daraus schlussfolgert, dass die Zwischenschaltung Dritter sich nur auf die Seite der Leistungsempfänger beziehen könne, etwa die Eltern der Schüler, vertritt Philipowski (UR 2010, 161) die Auffassung, dass es für die Steuerfreiheit genügt, wenn der Dozent das Honorarrisiko trägt und nicht fest in die Bildungseinrichtung, an der er unterrichtet, eingegliedert ist. Dies wird vom BFH aber nicht aufgegriffen (vgl. Urteil vom 15.12.2021, Az: XI R 3/20, UR 2022, 628).
Unschädlich ist, wenn der Lehrer Personal seines Auftraggebers unterrichtet (vgl. BFH vom 20.03.2014, Az: V R 3/13, UR 2014, 569) oder als selbstständiger Franchisenehmer ein Lernstudio betreibt (BFH vom 18.11.2015, Az: XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435).
Rz. 53
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Soweit zudem vertreten wurde, dass sich Dozenten, die ihre Unterrichtsleistung nicht direkt an die Teilnehmer erbringen, bis zur Änderung der deutschen Regelung in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG auf das nationale Recht berufen und die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen können (vgl. Korn, DStR 2010, 688), dürfte dies durch die BFH-Urteile vom 29.03.2017 (Az: XI R 6/16, UR 2017, 509 zur Steuerpflicht der Leistungen eines Rechtsanwa...