Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
2.5.3.1.1 Grundsätze
Rz. 171
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Welche Gegenstände eines Unternehmens als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind, richtet sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten und Verhältnissen im Zeitpunkt des Übergangs (BFH vom 25.11.1965, Az: V 173/63 U, BStBl III 1966, 333). Anhand der vertraglichen Vereinbarungen und des Anlagenverzeichnisses ist zu überprüfen, ob alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (ggf. des Teilbetriebes) übertragen wurden. Bei einer GiG ist der Begriff "im Ganzen" nicht streng wörtlich zu nehmen ist; es ist insofern unschädlich, wenn im Rahmen einer GiG einzelne, unwesentliche Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden (BFH vom 01.08.2002, Az: V R 17/01, BStBl II 2004, 626; Abschn. 1.5 Abs. 3 S. 1 UStAE).
TIPP
Eine Übereignung in mehreren Akten ist dann als eine GiG anzusehen, wenn die einzelnen Teilakte in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und der Wille auf Erwerb des Unternehmens gerichtet ist (BFH vom 16.03.1982, Az: VII R 105/79, BStBl II 1982, 483). Eine Übereignung ist auch anzunehmen, wenn der Erwerber beim Übergang des Unternehmens Einrichtungsgegenstände, die ihm bereits vorher zur Sicherung übereignet worden sind, und Waren, die er früher unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat, übernimmt (BFH vom 20.07.1967, Az: V 240/64, BStBl III 1967, 684).
2.5.3.1.2 Einzelfälle
Rz. 172
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Auch ein einzelnes Grundstück kann wesentliche Betriebsgrundlage sein (Abschn. 1.5 Abs. 4 S. 3 UStAE). Sofern das verkaufte Grundstück den Rahmen des Unternehmens bildete, werden die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens veräußert. Bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG liegt eine nicht steuerbare GiG vor. Eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG durch Übertragung eines vermieteten oder verpachteten bebauten Grundstücks liegt auch dann vor, wenn dieses nur teilweise vermietet oder verpachtet ist, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bereitstehen, da hinsichtlich dieser Flächen auf die Fortsetzung der bisherigen Vermietungsabsicht abzustellen ist. Für die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Vermietungstätigkeit durch den erwerbenden Unternehmer reicht es aus, wenn dieser einen Mietvertrag übernimmt, der eine nicht unwesentliche Fläche der Gesamtnutzfläche des Grundstücks umfasst (BFH vom 30.04.2009, Az: V R 4/07, BStBl II 2009, 863; Abschn. 1.5 Abs. 2 S. 3 UStAE).
Überträgt ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus und setzt der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fort, liegt hinsichtlich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG vor. Dies gilt unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil "zivilrechtlich selbstständig" ist oder nicht (BFH vom 06.07.2016, Az: XI R 1/15, BStBl II 2016, 909).
Rz. 173
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Sofern das verkaufte Grundstück jedoch nur einen Teil des Unternehmens umfasst, wird allenfalls ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Unternehmens veräußert. Eine nicht steuerbare GiG ist nur dann anzunehmen, wenn es einen gesondert geführten Betrieb (vgl. Rz. 183 ff.) darstellt. Allerdings ist ein Grundstück kein gesondert geführter Betrieb, wenn er keinen für sich lebensfähigen Organismus bildet, der nach außen hin ein selbstständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist. Dies ist z. B. der Fall bei einem Unternehmer der neben anderen Tätigkeiten ein unbebautes Grundstück mit dem Ziel erwirbt, ein Gebäude zu errichten, Mieter zu beschaffen und anschließend das nun bebaute Grundstück zu veräußern. Hier mangelt es an der Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen, da das Grundstück nicht dem Unternehmen diente, um als Anlagevermögen für längere Zeit zur Verfügung zu stehen. Stattdessen ist es nur notwendig gewesen, um darauf ein Gebäude errichten zu können. Das Grundstück wird also zum Zwecke der alsbaldigen Veräußerung erworben und hat damit den Charakter von Vorratsvermögen. In diesen Fällen ist von einer steuerbaren Lieferung auszugehen (OFD Münster vom 06.11.2006, Az: S 7100b – 132 – St 44–32, Tz. 2).
Rz. 174
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Die Lieferung lediglich eines Grundstücks, also eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks, stellt i. d. R. ebenfalls keine GiG, sondern eine steuerfreie Grundstücksübertragung nach § 4 Nr. 9a UStG dar (BFH vom 11.10.2007, Az: V R 57/06, BStBl II 2008, 447; Abschn. 1.5 Abs. 2 S. 1 UStAE). Nach gemeinschaftsrechtlich geprägtem Verständnis erfordert die GiG die Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber. Deshalb ist die Übertragung eines bislang vermieteten Grundstücks grundsätzlich keine GiG, wenn die Mietverhältnisse nicht übergehen, das übertragene Grundstück also unvermietet ist, selbst wenn die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers ausschließlich in dieser Vermietungstätigkeit bestand und der Erwerber alsbald einen neuen Mieter findet. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt also i. d. R. nicht zu einer Übertragung eines...