Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 173
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Natürliche Personen, die als Gesellschafter Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen ausführen, werden unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG selbstständig tätig (BMF vom 31.05.2007, BStBl I 2007, 503, Rz. 2).
Rz. 174
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 1 UStAE); dabei ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend (Abschn. 2.2. Abs. 1 S. 5 UStAE).
Beispiel 1:
Dem Komplementär einer aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft (KG) obliegt die Führung der Geschäfte und die Vertretung der KG; diese Tätigkeit wird mit seinem nach der Anzahl der Gesellschafter und deren Kapitaleinsatz bemessenen Anteil am Ergebnis (Gewinn und Verlust) der KG abgegolten.
Lösung:
Der Komplementär ist selbstständig tätig. Auch ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Weisungsrecht der KG gegenüber ihrem Gesellschafter führt nicht zu einer Weisungsgebundenheit i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Rz. 175
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können in diesem Sinne selbstständig sein; die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers steht dem nicht entgegen (Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 4 und 5 UStAE; so bereits BMF vom 21.09.2005, Az: IV A 5 – S 7104 – 19/05, BStBl I 2005, 936).
Rz. 176
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für die Beurteilung, ob die Tätigkeit nichtselbstständig i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeübt wird, können die in H 19.0 [Allgemeines] LStH 2023 genannten Kriterien sinngemäß herangezogen werden (BMF vom 31.05.2007, BStBl I 2007, 503, Rz. 3). H 19.0 LStH 2023 nennt u. a. folgende Kriterien: persönliche Abhängigkeit, feste Arbeitszeiten, kein Unternehmerrisiko, keine Unternehmerinitiative, Ortsgebundenheit, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Fortzahlung im Krankheitsfall, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht des Arbeitserfolges.
Beispiel 2:
Der Aktionär einer Aktiengesellschaft (AG) erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der AG. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsvertrag geschlossen, der u. a. Urlaubsanspruch, feste Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Weisungsgebundenheit regelt und bei Anwendung der für das Ertrag- und Umsatzsteuerrecht einheitlichen Abgrenzungskriterien zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führt.
Lösung:
Der Aktionär ist auch umsatzsteuerrechtlich nicht selbstständig (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG) tätig.
Rz. 177
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die nach denselben Grundsätzen zu beurteilende Frage der Selbstständigkeit oder Nichtselbstständigkeit natürlicher Personen führt bei zutreffender rechtlicher Würdigung regelmäßig ertragsteuerrechtlich und umsatzsteuerrechtlich zu gleichen Ergebnissen. Dies gilt jedoch nicht, wenn Vergütungen für die Ausübung einer bei Anwendung dieser Grundsätze nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit in ertragsteuerlicher Hinsicht aufgrund der Sonderregelung des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu Gewinneinkünften umqualifiziert werden. Diese Regelung dient lediglich der möglichst einheitlichen Ertragsbesteuerung von Einzel- und Mitunternehmern und beinhaltet keine Aussage zur Selbstständigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG (Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 2 UStAE; BMF vom 31.05.2007, BStBl I 2007, 503, Rz. 4).
Beispiel 3:
Der Kommanditist einer KG erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der KG. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsvertrag geschlossen, der u. a. Urlaubsanspruch, feste Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Weisungsgebundenheit regelt und bei Anwendung der für das Ertrag- und Umsatzsteuerrecht einheitlichen Abgrenzungskriterien zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führen würde.
Lösung:
Einkommensteuerrechtlich erzielt der Kommanditist aus der Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
Umsatzsteuerrechtlich ist er dagegen nicht selbstständig tätig.
Beispiel 4:
Ein bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG angestellter Geschäftsführer, der gleichzeitig Kommanditist der KG ist, erbringt Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegenüber der GmbH.
Lösung:
Aus ertragsteuerrechtlicher Sicht wird unterstellt, dass die Tätigkeit selbstständig ausgeübt wird; die Vergütung für die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung gegenüber der Komplementär-GmbH gehört zu den Einkünften als (selbstständiger) Mitunternehmer der KG und wird zu gewerblichen Einkünften i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG umqualifiziert.
In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ist die Frage der Selbstständigkeit jedoch weiterhin unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zu beurteilen (vgl. Beispiel 1 und 3).
HINWEIS
Problematisch dabei ist, dass das BMF in bisherigen Verlautbarungen davon ausgegangen war, die umsatzsteuerliche Beurteilung folge in diesen Fällen stets der einkommensteuerlic...