Rz. 37
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Auffassung der EU-Mitgliedstaaten lässt sich bei der Umsatzbesteuerung bestimmter grenzüberschreitender Dienstleistungen durch eine "Einorts-Registrierung" der Steuerbetrug eindämmen; gleichzeitig werden Verwaltungsabläufe vereinfacht. Bereits seit 01.07.2003 gilt daher eine Sonderregelung für Drittlands-Unternehmer, die Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernseh- oder (andere) elektronische Dienstleistungen erbringen; diese soll ab 2015 auf EU-Unternehmen ausgeweitet werden. Für deutsche Unternehmen – und auch die FinVerw – ergibt sich daraus die Herausforderung, rechtzeitig Verfahrensabläufe und IT-Systeme auf die künftigen rechtlichen Anforderungen vorzubereiten (vgl. Weimann/Tybussek).
3.2.1 Regelung bis 31.12.2014
3.2.1.1 EU-Dienstleister an EU-Privatkunden
Rz. 38
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Besteuerungsort bei
- Telekommunikationsdienstleistungen,
- Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und
- auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen
- an in der EU ansässige Privatabnehmer
- durch in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer
ist derzeit am Sitz des leistenden Unternehmers (§ 3a Abs. 1 UStG); die Unternehmer erklären diese Umsätze in ihrer Umsatzsteuererklärung im Sitzstaat.
In der Praxis ist die derzeitige Regelung sehr einfach zu handhaben, da die nämlichen Leistungen zu "normalen" Inlandsumsätzen führen.
3.2.1.2 Drittlands-Dienstleister an EU-Privatkunden
Rz. 39
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Leistungsort bei
- auf elektronischem Weg erbrachten Leistungen
- an in der EU ansässige Privatabnehmer
- durch einen im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer
liegt am Wohnsitz des Empfängers.
Rz. 40
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer kann sich jedoch nur in einem EU-Mitgliedstaat erfassen lassen und dort alle derartigen in der EU ausgeführten Umsätze erklären und die Steuer entrichten.
Derzeit ist das BZSt für die Durchführung des entsprechenden Verfahrens in Deutschland nach § 18 Abs. 4c UStG beim One-stop-shop für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer, die Dienstleistungen auf elektronischem Weg an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Nichtunternehmer erbringen, zuständig.
3.2.2 Besteuerungsverfahren ab 01.01.2015 (sog. Mini-One-Stop-Shop)
3.2.2.1 Die Neuregelung
Rz. 41
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Art. 58 MwStSystRL in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung von Art. 5 Nr. 1 der RL 2008/8/EG des Rates vom 12.02.2008 zur Änderung der RL 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (ABl. EU 2008 Nr. L 44, 11) gilt als Leistungsort bei
- Telekommunikationsleistungen,
- Rundfunk- und Fernsehleistungen,
- auf elektronischem Weg erbrachten Leistungen
- an Nichtunternehmer
der Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Sitz, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Die neuen Vorschriften führen dazu, dass bei Erbringung der nämlichen Dienstleistungen umsatzsteuerliche Pflichten im EU-Ausland ggf. neu begründet werden können. Dies führt zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand durch
- Umstellung der Buchführung;
- Einrichtung der EDV;
- Bestellung eines (zusätzlichen) Steuerberaters;
- Bestellung eines Fiskalvertreters;
- …
…, der bereits bei der Kalkulation eines Auftrags und damit von den (i. d. R. mit steuerlichen Fragen weniger befassten) Verkaufsabteilungen berücksichtigt werden muss (Weimann/Tybussek)!
3.2.2.2 Die Folgen für Drittlandsunternehmer
Rz. 42
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die derartige Leistungen an Nichtunternehmer mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Unionsgebiet erbringen, wird die bisherige Sonderregelung (vgl. Art. 359 bis 369 MwStSystRL in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung von Art. 5 Nr. 11 bis 14 der RL 2008/8/EG), nach der sich diese Unternehmer nur in einem EU-Mitgliedstaat erfassen lassen müssen, wenn sie in der EU sonstige Leistungen auf elektronischem Weg erbringen, auf Telekommunikationsleistungen und Rundfunk- und Fernsehleistungen ausgedehnt.
Für auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen an Nichtunternehmer bleibt hier "alles beim alten"! Die Neuregelung wird sich insoweit – also im Drittlandsbereich – nur auf die Erbringer von Telekommunikationsleistungen und Rundfunk- und Fernsehleistungen auswirken.
3.2.2.3 Die Folgen für EU-Unternehmer
Rz. 43
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die die vorgenannten Umsätze an Nichtunternehmer mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat erbringen, wird durch die Art. 369a bis 369k MwStSystRL in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung von Art. 5 Nr. 15 der RL 2008/8/EG ein neues Besteuerungsverfahren eingeführt, nach dem diese Unternehmer von der Möglichkeit Gebrauch machen können, alle vorgenannten Umsätze an Nichtunternehmer mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in anderen EU-Mitgliedstaaten nur in dem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich zu erklären, in dem sie ansässig sind.
Durch Anwendung des Besteuerungsverfahrens vermeidet der (deutsche) Dienstleister zukünftig eine ansonsten erforderliche Registrierung im EU-Ausland. Hierbei handelt es sich um ein Wahlrecht, auf das der Berater den Mandanten rechtzeitig hinweisen und vorbereiten muss (Weimann/Tybussek).
Rz. 44
Stand: 6. A. – ET: 07/20...