Die Grundsätze
Rz. 113
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG bestimmt, dass im Falle der Lieferung eines Gegenstandes durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder Abnehmer beauftragten Dritten durch Beförderung oder Versendung die Lieferung als dort ausgeführt gilt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
Rz. 114
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG kommen für das Befördern oder Versenden in Betracht:
- der Lieferer,
- ein Dritter, beauftragt vom Lieferer,
- der Abnehmer,
- ein Dritter, beauftragt vom Abnehmer.
Rz. 115
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach der Gesetzesbegründung kann der beauftragte Dritte z. B. ein Dienstleister (Lohnveredelungsunternehmer, Lagerhalter), ein Verkaufskommissionär oder im i. g. Dreiecksgeschäft ein nachfolgender Unternehmer sein, der jeweils nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebunden ist.
Rz. 116
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Besondere Aufmerksamkeit verdienen Fallgestaltungen, in denen der Lieferer, der Abnehmer oder der beauftragte Dritte einen selbstständigen Vierten mit dem Transport beauftragen und der Vierte gegenüber dem Auftraggeber über eine Transportleistung als sonstige Leistung abrechnet. Es liegen dann Versendungslieferungen vor, wobei die Versendung dem Auftraggeber zugerechnet wird.
A hat mit B ein Liefergeschäft abgeschlossen. In Erfüllung dieses Geschäfts soll der Gegenstand der Lieferung unmittelbar zum Lohnveredler C gebracht werden, der für B eine sonstige Leistung erbringen wird.
Variante 1: Befördern
In Erfüllung des Liefergeschäfts kann mit eigenem Fahrzeug:
- A als Lieferer den Gegenstand zu C bringen und dort abladen;
- B als Abnehmer den Gegenstand bei A abholen und ihn zu C bringen und dort abladen;
- C als beauftragter Dritter (nicht als selbstständiger Beauftragter) den Gegenstand bei A abholen und zu seiner Lohnveredelungsstätte bringen. C wird in diesem Fall wohl vom Abnehmer B mit der Beförderung beauftragt worden sein; allerdings ist es auch denkbar, dass die Beförderung auf Initiative des Lieferers erfolgt.
Variante 2: Versenden
In Erfüllung des Liefergeschäfts kann ein selbstständiger Beauftragter (z. B. Spediteur) den Gegenstand der Lieferer im Auftrag des:
- A (Lieferer) an C transportieren;
- B (Abnehmer) an C transportieren;
- C (selbstständiger Dritter) an seine Lohnveredelungsstätte transportieren. C wird in diesem Fall wohl vom Abnehmer B mit der Beförderung beauftragt worden sein, allerdings ist es auch denkbar das die Beförderung auf Initiative des Lieferers erfolgt. C hat sich in Erfüllung dieses Auftrags eines selbstständigen Beauftragten bedient.
Rz. 117
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
"Bewegte Lieferungen" haben den umsatzsteuerlichen Leistungsort "dort ... wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer... beginnt" (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG). Die Annahme einer Lieferung setzt damit voraus, dass beim Beginn der Beförderung oder Versendung
- ein konkretes Umsatzgeschäft über einen
- bestimmten Gegenstand mit einem
- bestimmten Abnehmer
geschlossen wurde (vgl. OFD Berlin vom 02.09.1969, Az: St 431 – S 7116 – 3/69, UR 1970, 103). Der Ort der Lieferung ist mit anderen Worten dort, wo die Ware erstmals mit Zielrichtung auf einen konkreten Abnehmer bewegt wird. Dieses Ergebnis ist häufig dann wenig erwünscht (aber dennoch unvermeidlich!), wenn ein Warenpaket aus mehreren Lagern zusammengestellt wird (Weimann, UidP, 21. Auflage 2023, Kap. 21.3.1).
Das deutsche Bekleidungshaus Klamotten-Anton (K&A) bestellt bei einer deutschen Bekleidungsfirma, der Egon Chef AG (EC) in München, 1000 Herrenhemden. 500 Hemden hat EC im Lager in München, 300 Hemden im Auslieferungslager in Rom und 200 Hemden in einem weiteren Auslieferungslager in Danzig.
Lösung:
- Die Lieferung der 500 Hemden ab dem Lager München führt zu 500 innerdeutschen Umsätzen. [Hinweis: Jedes Hemd ist Gegenstand einer eigenständigen Lieferung!]
- Die Lieferung der 300 Hemden ab dem Lager Rom führt unter den weiteren Voraussetzungen in Italien zu 300 i. g. Lieferungen von EC, registriert in Italien. K&A hat in Deutschland entsprechende i. g. Erwerbe zu erklären.
- Die Besteuerung der 200 Hemden ab dem Lager Danzig richtet sich nach § 3 Abs. 8 UStG.
In diesen Fällen wird in der Praxis häufig am UStG vorbei versucht, für alle Lieferungen zu einem einheitlichen Lieferort – vorzugsweise München – zu kommen. Diese Versuche scheitern jedoch daran, dass bei Beginn der Transporte der konkrete Abnehmer K&A bereits feststeht.
BFH zu Lieferort und Leistungszeitpunkt beim Kauf auf Probe
Rz. 118
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der BFH hat in einem Grundsatzurteil den insbesondere für den Versandhandel typischen "Kauf auf Probe" umsatzsteuerlich eingeordnet:
Sachverhalt:
Ein in den USA ansässiges Unternehmen (U) handelte mit Damenfeinstrumpfhosen, die es über ein besonderes Vertriebssystem direkt an die Kunden in Deutschland verkaufte. U warb für ihre Produkte vorrangig in Zeitschriftenbeilagen, aber auch im Internet. Inte...