Rz. 149
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gelangt i. R. eines Reihengeschäfts der Gegenstand der Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, kann eine Verlagerung des Lieferorts nach § 3 Abs. 8 UStG nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung in Betracht kommen. Dazu muss derjenige Unternehmer, dessen Lieferung i. R. des Reihengeschäfts die Beförderung oder Versendung zuzuordnen ist, oder sein Beauftragter zugleich auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein (vgl. Abschn. 3.14. Abs. 15 UStAE; zu den Besonderheiten des Abzugs der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer Klein, INF 1999, 135; Weimann/Raudszus, UVR 1999, 324).
Der deutsche Unternehmer D bestellt bei dem französischen Unternehmer F Computerteile. Dieser bestellt die Computerteile seinerseits bei dem Hersteller S in der Schweiz (Drittland). S befördert die Teile im Auftrag des F unmittelbar an D nach Deutschland. Vereinbarungsgemäß lässt S die Teile in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche Einfuhrumsatzsteuer (Lieferkondition "verzollt und versteuert").
Lösung:
Bei diesem Reihengeschäft werden zwei Lieferungen (S an F und F an D) ausgeführt.
Die Beförderung ist nach § 3 Abs. 6 S. 5 UStG der ersten Lieferung S an F zuzuordnen, da S als erster Unternehmer in der Reihe die Computerteile selbst befördert. Lieferort ist nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG grundsätzlich die Schweiz als Ort des Beförderungsbeginns. Der Lieferort wird jedoch gem. § 3 Abs. 8 UStG nach Deutschland verlagert, da S als Lieferer der Beförderungslieferung zugleich Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. S tätigt damit eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an F und muss sich in Deutschland steuerlich registrieren lassen. Gleichzeitig unterliegt die Lieferung des S bei der Einfuhr nach Deutschland der deutschen Einfuhrumsatzsteuer; S ist zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.
Die zweite Lieferung (F an D) ist eine ruhende Lieferung; sie gilt nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG ebenfalls als in Deutschland ausgeführt (Ende der Beförderung), da sie der Beförderung nachfolgt (ruhende nachgelagerte Lieferung). F führt mithin eine steuerpflichtige Inlandslieferung in Deutschland aus und muss sich ebenfalls in Deutschland steuerlich registrieren lassen.
S und F müssen sich also aufgrund der Beteiligung an diesem Umsatzgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich registrieren lassen!
Rz. 150
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Das im vorigen Fallbeispiel aufgezeigte Ergebnis ist für die Beteiligten denkbar ungünstig: Es führt für die ausländischen Unternehmer zur verwaltungs- und damit kostenintensiven Registrierungspflicht in Deutschland. Auch die neue Steuerbefreiung des § 4 Nr. 4b UStG findet keine Anwendung, wenn – wie hier – der erste Lieferer in der Reihe Schuldner der EUSt ist.
Rz. 151
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die grundsätzlich nachteilige Registrierungspflicht ließe sich aber durch geschickte Gestaltung des Lieferweges und der Lieferkonditionen vermeiden.
Wie vorher; die Beteiligten vereinbaren jedoch, dass
- F es i. S. v. § 3 Abs. 6 S. 6, 2. HS UStG als Lieferer übernimmt, die Computerteile zu befördern;
- F einen Lieferweg über Frankreich wählt und dort (beim Grenzübertritt nach Frankreich) die Teile auch zum freien Verkehr abfertigen lässt;
- zwischen S und F die Lieferkondition "unverzollt und unversteuert" und zwischen F und D die Lieferkondition "verzollt und versteuert" gewählt wird;
- F und D unter von ihrer in Frankreich (F) bzw. in Deutschland (D) erteilten IdNr. auftreten.
Lösung:
Die Beförderung ist der Lieferung des F an den D zuzuordnen, § 3 Abs. 6 S. 5 und 6 UStG.
Die Lieferung des S an den F gilt als "ruhende vorgelagerte Lieferung" in der Schweiz als ausgeführt; sie ist mithin weder in Frankreich noch in Deutschland steuerbar (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG).
F tätigt gegenüber D die bewegte Lieferung/Beförderungslieferung; diese gilt in der Schweiz als ausgeführt, da hier die Warenbewegung beginnt (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG). Der Ort der Lieferung wird jedoch aufgrund der Fiktion des § 3 Abs. 8 UStG nach Frankreich verlagert, da F die Ware zunächst nach Frankreich einführt und als Lieferer Schuldner der französischen EUSt ist.
Die Einfuhr ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG steuerfrei, da F die Ware seinerseits dazu verwendet, D nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfrei i. g. zu beliefern.
- Weder S noch F müssen sich in einem anderen europäischen Land umsatzsteuerlich registrieren lassen.
- Sie sparen im Zweifel erhebliche Verwaltungskosten und erzielen einen Wettbewerbsvorteil, da sie den Abgabepreis an D ohne Ertragseinbußen um die ersparten Kosten senken können.
- Des Weiteren entsteht ein Finanzierungsvorteil; die EUSt ist in diesem Fall nicht bis zur Erstattung vorzufinanzieren.
Rz. 152
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend, wenn bei der Warenbewegung vom Drittlandsgebiet in das Inland das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates berührt wird (vgl. Abschn. 3.14. Abs. 17 USt...