3.4.1 Ergänzende Vorgaben aus Europa
Rz. 28a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In der MwStVO (EU-Verordnung 282/2011) finden sich folgende Durchführungsvorschriften, die bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 UStG zu berücksichtigen sind:
- Art. 10 (Definition Sitzort),
- Art. 11 (Definition feste Niederlassung),
- Art. 12 (Definition Wohnsitz einer natürlichen Person),
- Art. 13 (Definition gewöhnlicher Aufenthalt einer natürlichen Person),
- Art. 13a (Ort der Ansässigkeit einer nichtsteuerpflichtigen juristischen Person),
- Art. 19 (Verwendung einer Dienstleistung zum unternehmerischen/privaten Gebrauch),
- Art. 20 (Dienstleistungsempfänger mit nur einem Ansässigkeitsort),
- Art. 21 (Dienstleistungsempfänger mit mehrfachem Ansässigkeitsort – Besteuerung am Sitzort oder am Ort der festen Niederlassung),
- Art. 22 (Überprüfung des Orts der festen Niederlassung des Dienstleistungsempfängers),
- Art. 23 (Ort der Dienstleistung am Ansässigkeitsort des Dienstleistungsempfängers – Feststellung des Orts aufgrund Informationen durch Leistungsempfänger).
3.4.2 Die Verwaltungsauffassung
Rz. 29
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Das BMF erläutert seine Rechtsauffassung im Wesentlichen in Abschn. 3a.2. UStAE. Ergänzend ist auf die BMF-Schreiben vom 04.02.2011 (BStBl I 2011, 162), 10.06.2011 (BStBl I 2011, 583) und 30.11.2012 (BStBl I 2012, 1230) hinzuweisen.
3.4.3 Beratungskonsequenzen aus der Verwaltungsauffassung
3.4.3.1 Neuer Auffangtatbestand für "B2B-Leistungen"
Rz. 30
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Dienstleistungen eines Unternehmers an andere Unternehmer für deren unternehmerischen Bereich werden grundsätzlich am Ort des Leistungsempfängers (= Bestimmungslandprinzip) bewirkt.
3.4.3.2 Wortgleichheit mit der bisherigen Regelung für Katalogleistungen
Rz. 31
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Damit wird die Regelung, die § 3a Abs. 3 S. 1 und 2 UStG a. F. bislang für Katalogleistungen vorsah, im B2B-Bereich zum Regeltatbestand.
3.4.3.3 Nichtunternehmerische juristische Personen
Rz. 32
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Den Unternehmern gleichgestellt werden insoweit juristische Personen, soweit diese
Die Airbus Helicopters Deutschland GmbH (A) verkauft im Jahr 2023 aus Deutschland heraus Hubschrauber an das griechische Militär. (Hinweis: Evtl. Steuerbefreiungen nach dem NATO-Truppenstatut oder ähnlichen Sonderbestimmungen sollen unberücksichtigt bleiben!)
Lösung:
Aufgrund des hohen Lieferpreises der Fluggeräte wird Griechenland die von den EU-Mitgliedstaaten bestimmte Erwerbsschwelle (vgl. § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. d UStG) überschreiten. A liefert i. g. steuerfrei. Das griechische Militär muss sich in Griechenland (umsatz-)steuerlich registrieren lassen (bzw. wird dort bereits registriert sein) und wie ein Unternehmer einen i. g. Erwerb versteuern; dafür erhält es eine USt-IdNr.
Repariert A einen der Hubschrauber (außerhalb einer Garantieverpflichtung), kommt § 3a Abs. 2 S. 3 Alt. 1 UStG zur Anwendung.
Rz. 33
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Dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt sind.
3.4.3.4 Wegfall des damaligen Wahlrechts zur Leistungsortsverlagerung
Rz. 34
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Soweit das "alte" UStG für
- Arbeiten an und Begutachtung von beweglichen körperlichen Gegenständen (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG a. F.),
- Vermittlungsleistungen (§ 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a. F.),
- i. g. Güterbeförderungen und damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (§ 3b UStG a. F.)
zur steuerlichen Vereinfachung (die Besteuerung des leistenden Unternehmers außerhalb seines Sitzstaates soll vermieden werden) die Verlagerung des Besteuerungsrechts in einen "anderen Mitgliedstaat" vorsieht, werden diese Regelungen durch das Mehrwertsteuerpaket (Rz. 13) überflüssig und entfallen daher ersatzlos (vgl. Abschn. 3a.2. Abs. 16 UStAE).
3.4.3.5 "Unsicherheitsfaktor" oder: Was ist nun wie geregelt?
Rz. 35
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Die deutsche Finanzverwaltung hatte zu den damals neuen Ortvorschriften in einem ersten Schreiben (BMF vom 04.09.2009, BStBl I 2010, 1005) umfassend Stellung genommen, um dieses Schreiben bereits vor Inkrafttreten teilweise neu zu fassen (BMF vom 08.12.2009, BStBl I 2009, 1612). Das mag ein Zeichen für die weiterhin nicht zu verkennende Rechtsunsicherheit – gerade auch aufseiten der Finanzverwaltung – sein!
3.4.4 Praxisproblem: Der Nachweis des unternehmerischen Leistungsbezugs durch den Kunden
3.4.4.1 Der Nachweis im "Normalfall"
Rz. 36
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Das BMF weist darauf hin, dass § 3a Abs. 2 UStG selbst ungeregelt lässt, wie der leistende Unternehmer den Nachweis eines unternehmerischen Leistungsbezugs seines Kunden erbringen muss (vgl. Abschn. 3a.2. Abs. 9 S. 1 UStAE), und arbeitet hierzu mit einer Vereinfachung: "...Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Leistung für dessen unternehmerischen Bereich bezogen wird. [...]" (Abschn. 3a.2. Abs. 9 S. 4 UStAE).
Rz. 37
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das gilt sogar dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Leistung vom Leistungsempfänger tatsächlich für nicht unternehmerische Zwecke verwendet worden ist (Abschn. 3a.2. Abs. 9 S. 4 a. E. UStAE).
HINWEIS
Der leistende Unternehmer hat hierzu aber eine i...