Rüdiger Weimann, Robert C. Prätzler
Rz. 30
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Wer die MwStSystRL anwendet, muss sich – wie allgemein bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht – bewusst sein, dass ihr Inhalt nicht allein durch die deutsche Sprachfassung bestimmt werden kann. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung verbietet es die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, eine Bestimmung für sich allein zu betrachten. Der Rechtsanwender ist vielmehr dazu gezwungen, die Bestimmung unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen. So ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und dass die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind. Die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich der sprachlichen Fassungen. Dabei erscheint die Beschränkung auf drei (etwa die deutsche, englische und französische) Fassungen ausreichend; es ist kaum vorstellbar, dass ein aus diesen Sprachfassungen gewonnenes Auslegungsergebnis durch die derzeit zusätzlich geltenden 20 Sprachfassungen noch in Zweifel gezogen werden kann (Lohse/Peltner, 2007, Einführung, Anm. 28.; Weimann, UStB 2007, 301).
Rz. 31
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat der Verbindlichkeit aller Sprachfassungen bei der Neukodifizierung Rechnung getragen und in einzelnen Sprachfassungen zweifelhafte Formulierungen der 6. EG-RL an die übrigen Sprachfassungen angeglichen. Die deutsche Sprachfassung ist insofern davon betroffen, dass die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL von der Steuerbefreiung der Post ausgenommenen Dienstleistungen des "Fernmeldewesens" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL als "Telekommunikationsdienstleistungen" bezeichnet werden. In Abschnitt 4.4.1.4 der Neufassungsbegründung hat die Kommission dazu folgende Erklärung gegeben: "Aus Gründen der Übereinstimmung mit den anderen Sprachversionen muss überall der gleiche Ausdruck verwendet werden." Da der Telekommunikationsbegriff auch "ansonsten verwendet wird", sei er zur gegenseitigen Angleichung "am besten geeignet". Der Umfang der in § 4 Nr. 11b UStG befreiten Postdienstleistungen wird dadurch nicht berührt (Lohse/Peltner, 2007, Einführung, Anm. 28.; Weimann, UStB 2007, 301).