Rz. 12a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Im Unionsrecht unterliegen Dienstleistungen, die Steuerpflichtige (Gesellschaften oder natürliche Personen) erbringen, normalerweise der Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie – MwStSystRL – sieht jedoch unter bestimmten Umständen eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen vor, die von "selbstständigen Zusammenschlüssen von Personen" erbracht werden. Hierzu führt Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL aus: "Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer: … Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt."
Rz. 12b
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dazu lag dem EuGH folgender Sachverhalt vor:
Nach der luxemburgischen Regelung sind die von einem Zusammenschluss an seine Mitglieder erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer nicht
- nur dann befreit, wenn diese Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten ihrer Mitglieder erbracht werden
- sondern auch dann, wenn der Anteil der steuerbaren Tätigkeiten der Mitglieder (Tätigkeiten, die der Mehrwertsteuer unterliegen) 30 % (oder sogar 45 %) ihres Jahresumsatzes vor Steuern nicht übersteigt.
Ferner erlaubt dieselbe Regelung den Mitgliedern des Zusammenschlusses, die dem Zusammenschluss in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen, die nicht an die Mitglieder, sondern an den Zusammenschluss selbst geliefert bzw. erbracht wurden, abzuziehen. Schließlich sieht die luxemburgische Regelung vor, dass von einem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses getätigte Umsätze nicht der Mehrwertsteuer für den Zusammenschluss unterliegen. Die Kommission hält die luxemburgische Regelung für mit den Regeln der MwStSystRL über selbstständige Zusammenschlüsse von Personen unvereinbar und hat den Gerichtshof angerufen, um feststellen zu lassen, dass Luxemburg gegen diese Regeln verstoßen hat.
Rz. 12c
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der EuGH gibt der Vertragsverletzungsklage der Kommission im Wesentlichen statt und erklärt die luxemburgische Regelung über selbstständige Zusammenschlüsse von Personen für mit der MwStSystRL unvereinbar (EuGH vom 04.05.2017, Rs. C-274/15; hierzu ausführlich Weimann, astw.iww.de, Abruf-Nr. 194.833).
TIPP
Die nämliche Steuerbefreiung wurde nur sporadisch in das deutsche Umsatzsteuerrecht transferiert (vgl. z. B. § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG; erfasst sind damit u. a. ärztliche Praxis- und Apparategemeinschaften). Der Unternehmer/steuerliche Berater sollte Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ab sofort "auf dem Schirm haben" und sich in allen in Betracht kommenden Fällen unmittelbar darauf berufen.