Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach dem polnischen Umsatzsteuerrecht ist die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers u. a. für folgende Umsätze anzuwenden:
- In Polen steuerbare Lieferungen oder Dienstleistungen, die ein nichtansässiger Unternehmer an einen in Polen ansässigen Steuerpflichtigen erbringt (vgl. Art. 17 Mehrwertsteuergesetz)
- In Polen steuerbare Lieferungen von Strom, Gas, Wärme oder Kälte, die ein nichtansässiger Unternehmer an einen in Polen ansässigen Wiederverkäufer erbringt (vgl. Art. 17 Mehrwertsteuergesetz)
Rz. 36
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Polen hatte weiterhin eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Umsätze zwischen im Land ansässigen Unternehmen eingeführt, die für folgende Umsätze galt (vgl. Art. 17 Mehrwertsteuergesetz):
- Lieferungen bestimmter Güter (vgl. Schedule 11 zum Mehrwertsteuergesetz, u. a. diverse Metalle, Abfälle, Juwelen)
- Lieferungen bestimmter Güter in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang mit einem Nettowert über 20.000 PLN (vgl. Schedule 11 zum Mehrwertsteuergesetz, u. a. Mobiltelefone, Tablet-PCs, Spielekonsolen, Notebooks)
- Umsätze mit Emissionszertifikaten und diverse Bauleistungen (vgl. Schedule 14 zum Mehrwertsteuergesetz),
- Umsätze mit Einbaulaufwerken (SSDs und Festplatten) ab dem 01.01.2018.
Seit Einführung des verpflichtenden Split-Payment-Systems (vgl. Rz. 36a) entfällt die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Inlandstransaktionen.
Rz. 36a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Polen hatte zum 01.07.2018 ein besonderes "Split Payment"-System (gespaltene Umsatzsteuerzahlungen) auf freiwilliger Basis eingeführt. Nach dem Gesetz galten die folgenden besonderen Regelungen:
Alle polnischen Banken eröffneten für alle polnischen Umsatzsteuerpflichtigen besondere Umsatzsteuer-Bankkonten. Jeder Umsatzsteuerpflichtige hatte dann ein Wahlrecht, die ihm von einem anderen Unternehmer berechnete polnische Umsatzsteuer auf dessen Umsatzsteuer-Bankkonto zu zahlen und nur den Nettobetrag auf das gewöhnliche Konto. Das Umsatzsteuer-Bankkonto durfte grundsätzlich nur benutzt werden, um Umsatzsteuerschulden an den Fiskus zu entrichten, oder um Umsatzsteuer für erbrachte Leistungen an den leistenden Unternehmer auf dessen Umsatzsteuer-Bankkonto zu bezahlen. Allerdings konnte ein gesonderter Antrag bei der Steuerbehörde gestellt werden, ein Guthaben vom Umsatzsteuer-Bankkonto auf das normale Konto übertragen zu lassen. Die Behörde entschied hierüber binnen 60 Tagen.
Die Nutzung des Verfahrens bot dem Leistungsempfänger Vorteile. So konnte er einer gesamtschuldnerischen Haftung für nicht abgeführte Umsatzsteuer nach Art. 105a Mehrwertsteuergesetz (betrifft diverse als betrugsanfällig angesehene Umsatzarten) entgehen. Weiterhin drohten regelmäßig keine Strafen, wenn sich die berechnete Umsatzsteuer als fehlerhaft erwies (vgl. Abschn. 13). Dies galt allerdings nicht, wenn der Leistungsempfänger Kenntnis von den Verstößen des Leistenden hatte.
Ein weiterer Vorteil bestand in einer kürzeren Erstattungszeitpunkt für Vorsteuerüberhänge von nur 25 statt regelmäßig 60 Tagen. Allerdings erfolgten die Erstattungen dann auf das besondere Umsatzsteuer-Bankkonto.
Schließlich erhielten Unternehmen einen kleineren Nachlass auf ihre Umsatzsteuerschuld, wenn sie diese vom Umsatzsteuer-Bankkonto vor Fälligkeit zahlten (seinerzeit 6 % p. a., taggenau berechnet).
Da das "Split Payment"-Verfahren in Polen freiwillig war, hatte Polen keinen Antrag auf Genehmigung einer Sondermaßnahme bei der Europäischen Kommission gestellt.
Zum 01.11.2019 führte Polen ein verpflichtendes Split-Payment-Verfahren für diverse als besonders betrugsanfällig bewertete Transaktionen ein. Diese sind in Annex 15 zum Mehrwertsteuergesetz aufgeführt. Erfasst werden u. a. Produkte aus Stahl oder Edelmetallen, Schrott und Abfälle, Smartphones, Prozessoren, Laptops, Notebooks und Tablet-PCs, Kraftstoffe für Pkws, Emissionszertifikate, Bauleistungen, Kohle und Teile für Autos oder Motorräder. Es gilt eine Grenze von 15.000 PLN für betroffene Rechnungen, die auch dann anzuwenden ist, wenn Teilzahlungen kleinere Beträge betreffen.
Die Europäische Union hat das Verfahren zunächst bis 28.02.2022 genehmigt (vgl. Beschluss vom 18.02.2019, 2019/310) und dies später verlängert bis 28.02.2025 (vgl. Beschluss vom 05.04.2022, 2022/559).