Rz. 159
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ist § 17 Abs. 1 UStG sinngemäß anzuwenden, wenn der Erwerber den Nachweis i. S. d. § 3d S. 2 UStG führt. Die Vorschrift hebt auf die Möglichkeit einer doppelten Erfassung des i. g. Erwerbs i. S. d. § 1a UStG durch die Verwendung einer UStIdNr. eines anderen Mitgliedstaates ab. Grundsätzlich bestimmt sich der Ort des i. g. Erwerbs (§ 1a UStG) nach § 3d S. 1 UStG. Ein i. g. Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Unternehmer jedoch eine UStIdNr. eines anderen Mitgliedstaates, gilt der i. g. Erwerb als auch in diesem Staat bewirkt (§ 3d S. 2 UStG).
Unternehmer D aus Deutschland bestellt bei Unternehmer F in Frankreich Waren, die dieser an eine Betriebsstätte des D in Belgien liefern soll. F transportiert die Waren mit eigenem Lkw von Frankreich nach Belgien. Bei der Bestellung benutzt D seine deutsche UStIdNr. gegenüber F.
Lösung:
D verwirklicht einen i. g. Erwerb i. S. d. § 1a UStG in Belgien, da die Beförderung des F auf belgischem Gebiet endet (§ 3d S. 1 UStG). Da D gegenüber F jedoch seine deutsche UStIdNr. verwendet, gilt der i. g. Erwerb so lange als in Deutschland bewirkt, bis D nachweist, dass er den i. g. Erwerb in Belgien versteuert hat (§ 3d S. 2 UStG). Insofern tritt eine doppelte Steuerpflicht sowohl in Belgien als auch in Deutschland ein, da der Ort des i. g. Erwerbs grundsätzlich in Belgien liegt. D muss den i. g. Erwerb zunächst in Deutschland der Besteuerung unterwerfen. Ein Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG. Weist D nach, dass er den i. g. Erwerb in Belgien versteuert hat, greift die Fiktion des § 3d S. 2 UStG nicht mehr, dementsprechend berichtigt D die Besteuerung in Deutschland nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Die Berichtigung ist in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem D den Nachweis über die Besteuerung in Belgien erbringt (§ 17 Abs. 1 S. 8 UStG).
Rz. 160
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach dem Urteil des EuGH vom 22.04.2010 (Rs. C-536/08 und C-539/08, UR 2010, 418) hat die Steuer nach § 3d S. 2 UStG Strafcharakter und darf deshalb nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Die Neutralität der Mehrwertsteuer ist daher nicht über den Vorsteuerabzug, sondern über die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG herzustellen (weiterführend von Streit, EU-UStB 2010, 43 ff.; Maunz, UR 2010, 422 ff.; Weimann, UStB 2010, 288 ff.). Der BFH hat sich dem angeschlossen (vgl. Urteile vom 08.09.2010, Az: XI R 40/08, BStBl II 2011, 661 und vom 01.09.2010, Az: V R 39/08, BStBl II 2011, 658) und einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG in den Fällen des § 3d S. 2 UStG versagt. Die Finanzverwaltung ist dem durch BMF-Schreiben vom 07.07.2011 (BStBl I 2011, 739) gefolgt. Der Gesetzgeber hat zudem den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) entsprechend klarstellend ergänzt.