Literatur
Dickopp/van der Boeken, Umsatzsteuerbefreiung von Betreuungsleistungen durch einen Betreuungsverein, UR 10/2009, 335.
Dickopp, Umsatzsteuerbefreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten nach § 4 UStG und Gemeinschaftsrecht, UR 2007, 553.
Flad, Die Einrichtung mit sozialem Charakter i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g und h MwStSystRL, UR 2023, 74.
Gomes, Zur Umsatzsteuerfreiheit von Sozialleistungen, UR 2022, 241.
Hüttemann/Schauhoff, Umsatzsteuerbefreiungen für Sozial- und Bildungseinrichtungen – Drohende Rechtsunsicherheiten für Non-Profit-Organisationen durch die gesetzliche Neuregelung, DStR 2019, 1601.
Kirchhain/Pötters, Menüservice ist kein Partyservice – auf den sozialen Kontext kommt es an! Zugleich allgemein zur Auslegung des § 4 Nr. 18 UStG und des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anlässlich des BMF-Schreibens vom 14.2.2023, UR 2023, 319.
Michel, Die Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen im Sozialbereich, UR 2020, 601.
Rosenthal, Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität in der aktuellen Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012, DStR 10/2013, 443.
Sterzinger, Änderungen des UStG und der UStDV durch das sog. JStG 2019 und das BEG III, UR 2020, 1.
Verwaltungsanweisungen
BMF vom 14.2.2023, Az: III C 3 – S 7175/21/10003 :003, Umsatzsteuerbefreiung für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen; Neufassung des § 4 Nr. 18 UStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften zum 1. Januar 2020, BStBl I 2023, 348.
Richtlinien/Hinweise/Verordnungen
UStAE: Abschn. 4.18.1.
MwStSystRL: Art. 132 Abs. 1, g, o, Abs. 2 und Art. 133, Art. 134.
1 Allgemeines
1.1 Überblick über die Vorschrift/Gesetzeszweck
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 18 UStG in seiner durch das JStG 2019 ab 01.01.2020 geltenden Fassung befreit eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Es handelt sich insofern um eine allgemeine Befreiungsnorm für Sozialleistungen, die allerdings nur subsidiär zur Anwendung kommt. Durch § 4 Nr. 18 S. 3 UStG wird klargestellt, dass jede andere nationale Regelung des § 4 UStG, die eine steuerbefreite Leistung genau bezeichnet, der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 18 UStG als lex specialis vorgeht. Für alle bereits in anderen Befreiungstatbeständen geregelten Leistungsarten (z. B. Betreuungs- und Pflegeleistungen nach § 4 Nr. 16 UStG) ist § 4 Nr. 18 UStG daher von vornherein ausgeschlossen (vgl. BT-Drucks. 19/13536, 146 f.).
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 2
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bereits im UStG 1919 war eine Steuerbefreiung für bestimmte Leistungen gemeinnütziger und wohltätiger Unternehmen enthalten. Seit 1967 blieb die Befreiungsvorschrift im Wesentlichen unverändert. In seiner bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung befreite § 4 Nr. 18 UStG die Tätigkeiten der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrt, die sich aus § 23 UStDV ergaben.
Rz. 3
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In seinen Entscheidungen vom 07.09.1999 (Rs. C-216/97, Gregg, UR 1999, 419) und vom 15.11.2012 (Rs. C-174/11, Zimmermann, DStR 2013, 443) hatte der EuGH allerdings entschieden, dass der unionsrechtliche Neutralitätsgrundsatz erfordert, dass die Steuerbefreiung der Umsätze der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL genannten Einrichtungen nicht von deren Rechtform abhängen dürfe. Auch privatrechtliche Einrichtungen müssen bei Erbringung vergleichbarer Leistungen der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL genannten Kategorien umsatzsteuerbefreit sein. Der BFH sah daher die unionsrechtlichen Vorgaben als unvollständig durch die nationalen Vorschriften umgesetzt an und ließ ein unmittelbares Berufen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu (vgl. Urteile vom 18.08.2005, Az: V R 71/03, BStBl II 2006, 143 und vom 01.12.2010, Az: XI R 46/08, UR 2011, 348). In der Folge hatten die Steuerpflichtigen daher ein sog. faktischen Wahlrecht: Sie konnten sich unmittelbar auf Art 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen und die Steuerfreiheit ihrer Ausgangsumsätze erreichen oder das engere nationale Recht in Anspruch nehmen, ihre Umsätze steuerpflichtig lassen und den Vorsteuerabzug für ihre Eingangsleistungen beanspruchen.
Rz. 4
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bereits das Jahressteuergesetz 2013 sah in Reaktion auf die o. g. EuGH-Urteile Anpassungen im Bereich des § 4 Nr. 16 und Nr. 18 UStG vor, scheiterte jedoch, nachdem der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 17/11844) am 17.01.2013 keine Mehrheit im Bundestag fand.
Rz. 5
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Durch das JStG 2020 wurde § 4 Nr. 18 UStG mit Wirkung ab 01.01.2020 in eine subsidiäre Befreiungsnorm für Sozialleistungen umgewandelt. Die Neuregelung des § 4 Nr. 18 UStG hat zur Folge, dass sich Steuerpflichtige nicht mehr unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst g MwStSystRL berufen können, wenn ihre sozialen Leistungen nach den Befreiungsvorschriften des UStG für Sozialleistungen nicht umsatzsteuerfrei sind ...