Dr. Josef Baumüller, Prof. Dr. Kerstin Lopatta
Rz. 31
In Art. 19a Abs. 2 Buchst. c) der CSRD ist geregelt, dass berichtspflichtige Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsbericht eine Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsfragen sowie ihres Fachwissens und ihrer Fähigkeiten in Bezug auf die Erfüllung dieser Rolle oder des Zugangs dieser Organe zu solchem Fachwissen und solchen Fähigkeiten aufnehmen. In Art. 29b Abs. 2 Buchst. c) wird ferner festgelegt, dass in den Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung spezifiziert werden soll, welche konkreten Informationen Unternehmen hinsichtlich dieses Governance-Faktors offenlegen sollen, was in ESRS 2 GOV-1 umgesetzt wurde. Gem. Anhang II der ESRS haben Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorgane als Kollektiv die höchste Entscheidungsbefugnis. Die unter diese Definition fallenden Leitungsorgane können von Land zu Land unterschiedlich sein. So fallen in Deutschland und Österreich meistens (auch hier gibt es Ausnahmen über die Europäische AG (SE)) die getrennten Organe Vorstand und Aufsichtsrat darunter, während in anderen Ländern ein einziges Organ beide Rollen wahrnimmt. Unter "Senior Executive Management" ist eine höhere Position als eine "Managementlevel-Position" zu verstehen. Bei der Beschreibung ihrer Leitungsorgane und des Managements müssen Unternehmen auf Konsistenz zwischen der Nachhaltigkeitserklärung und der Erklärung zur Unternehmensführung sowie der sonstigen Unternehmenskommunikation i. A. achten.
Ziel dieser Offenlegungspflichten ist es zum einen, ein Verständnis dafür zu schaffen, wie die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane zusammengesetzt sind und hierbei auf Diversität geachtet wurde. Zum anderen sollen externe Berichtsadressaten auf Basis der Informationen nachvollziehen können, wie die Aufgaben und Zuständigkeiten bei der Beaufsichtigung des Verfahrens zum Umgang mit wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen, einschl. der Rolle des Managements in diesen Verfahren, zwischen den Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane aufgeteilt sind und ob die jeweiligen Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane über das hierfür notwendige Fachwissen und die Fähigkeiten im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte verfügen oder den Zugang zu solchen Fachkenntnissen und Fähigkeiten haben (ESRS 2.20).
Rz. 32
Ziel der Offenlegungspflichten des ESRS 2 GOV-1 ist es ferner, externen Berichtsadressaten ein Verständnis darüber zu vermitteln, wie viel Aufmerksamkeit die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane den unterschiedlichen Nachhaltigkeitsfragen widmen bzw. welche Relevanz Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen haben. Informationen über die Zusammensetzung der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, die Ernennung und Auswahl der einzelnen Mitglieder und deren Fachwissen (bzw. Zugang zu Fachwissen) über wesentliche Nachhaltigkeitsthemen können zur Beantwortung dieser Frage beitragen. Anhand dieser Informationen können externe Berichtsadressaten nachvollziehen, inwieweit die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane in der Lage sind, eine wirksame Aufsicht in Nachhaltigkeitsfragen auszuüben (ESRS 2.BC29).
Rz. 33
Die konkreten Berichtsvorgaben des ESRS 2 GOV-1 werden in ESRS 2.21–ESRS 2.23 statuiert. In ESRS 2.21 werden zunächst Offenlegungsvorgaben zur Zusammensetzung und Diversität der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens verankert. Nach ESRS 2.21(a) haben berichtspflichtige Unternehmen zunächst die Anzahl der geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitglieder anzugeben. In Deutschland und Österreich ist jeweils ein dualistisches Corporate-Governance-System reglementiert, das eine strikte und institutionelle Trennung von Leitung (Vorstand bzw. Geschäftsführung) und deren Überwachung (Aufsichtsrat) vorsieht. Ausnahmen bestehen jeweils nur für die Europäische Aktiengesellschaft (SE), bei der auch das monistische System gewählt werden kann. Die institutionelle Trennung von Leitung und deren Überwachung ist im dualistischen System mit einer Vorgabe zur personellen Trennung von Leitung und Überwachung verknüpft. So ist es exemplarisch am Beispiel Deutschlands nach § 105 Abs. 1 AktG ausgeschlossen, dass aktuelle Aufsichtsratsmitglieder gleichzeitig in den Vorstand berufen werden dürfen. Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats können nach § 76 Abs. 3 S. 1 AktG respektive § 100 Abs. 1 S. 1 AktG nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sein. Die Anzahl der geschäftsführenden Organmitglieder ist somit in Deutschland gleichzusetzen mit den Mitgliedern des Vorstands bzw. der Geschäftsführung. Die nicht geschäftsführenden Mitglieder entsprechen im deutschen Corporate-Governance-System den Mitgliedern des Aufsichtsrats.
Der allgemeine Wortlaut des ESRS 2.21(a) ergibt sich aus der Tatsache, dass in anderen EU-Ländern überwiegend abweichende Corporate-Governance-Systeme mit monistischem Board-Syste...