2.1 Dematerialisierung – aber hoher Rohstoffverbrauch
Kurzlebige Geräte mit hohem Rohstoffbedarf bei der Herstellung
Im Jahr 2021 nutzten knapp 61 Millionen Bundesbürger und Bürgerinnen ein Smartphone, was knapp drei Vierteln der Bundesbevölkerung entspricht. Knapp 1,3 Milliarden Smartphones wurden 2020 weltweit verkauft, obwohl der Markt immer wieder als gesättigt bezeichnet wird. Das Dasein von Geräten in der Sparte der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist zudem besonders kurzlebig – tatsächlich liegt die Nutzungsphase eines Smartphones im Durchschnitt bei lediglich 20 Monaten. Die fragile Konstruktion der Geräte tut ihr Übriges. Und hier entsteht das Problem: IKT ist kurzlebig, extrem weit verbreitet und benötigt eine große Menge an Rohstoffen für ihre Herstellung. Zum Beispiel bestehen die Bauteile eines Smartphones aus bis zu 75 verschiedenen chemischen Elementen.
Außerdem landen von der Menge an Rohstoffen, die für die Herstellung eines Laptops benötigt werden, bereits 98 % vor der Fertigstellung in der Mülltonne. Ein Laptop besteht also aus lediglich 2 % des eingesetzten Materials. Diese Rohstoffe sind
- nicht unendlich verfügbar und werden
- unter teils verheerenden Verhältnissen abgebaut.
Das ist der Grund, weswegen manche Elemente inzwischen als "Konfliktmineralien" bezeichnet werden.
Hintergrund zu Konfliktmineralien
Einer der größten Lieferanten dieser Konfliktmineralien ist die Demokratische Republik Kongo (DRK). Paramilitärs, die in der DRK seit Jahrzehnten in einem Bürgerkrieg gegeneinander kämpfen, haben den Bergbau und/oder Teile des Handels mit den Mineralien an sich gerissen und finanzieren mit dem Gewinn ihre Waffen. Die Todesopfer des Bürgerkriegs gehen in die Millionen. Allein 2021 zählte das UN Flüchtlingshilfswerk 1.200 zivile Todesopfer und 1.100 Fälle sexueller Gewalt. Aufgrund der extremen Armut des Landes ist für viele Menschen dort die Arbeit in den Rohstoffminen eine der wenigen, aber extrem gefährlichen Einkommensquellen.
Zu den Konfliktmineralien gehört unter anderem Tantal, das aus Coltan gewonnen und für sehr kleine Kondensatoren mit hoher Kapazität verwendet wird. Dazu zählen auch Gold für die Platinen und Kobalt für Lithium-Ionen-Batterien. Die Nachfrage nach diesen Batterien ist aufgrund des Einsatzes in digitalen Geräten und Elektrofahrzeugen massiv gestiegen. Laut Veröffentlichungen der geologischen Abteilung des US-Innenministeriums ist die Produktion von Kobalt zwischen 2020 und 2021 um 20 % gestiegen – auf 170.000 Tonnen. Die Nachfrage aus dem Automobilsektor alleine belief sich 2022 auf ungefähr 104.000 Tonnen.
Was ist mit Recycling?
Können die Rohstoffe wiederverwendet werden? Besonders bei den Geräten der Informations- und Kommunikationstechnologie existiert kein Stoffkreislauf, der eine Wiederverwertung verbauter Materialien gewährleisten würde. Die Bauteile sind extrem kleinteilig, können teilweise auch gar nicht wiedergewonnen werden und die Recyclingkapazitäten im globalen Norden sind bei weitem nicht groß genug.
Wo landen also die defekten Geräte? Sie werden zu großen Teilen illegal in den globalen Süden verschoben. Illegal, weil Länder wie die USA, Kanada und die meisten Länder Europas verschiedene Konventionen unterzeichnet haben, die es verbieten, Elektroschrott zu exportieren. Der Fachbegriff für IKT und ihre Komponenten nach der Entsorgung lautet "waste electrical and electronic equipment (WEEE)" bzw. "E-Waste". Laut Schätzung der internationalen Initiative "Solving the E-waste Problem" (StEP) betrug die weltweite Menge an anfallendem E-Waste im Jahr 2019 circa 55 Millionen Tonnen – das entspricht dem zweihundertfachen Gewicht des Empire State Buildings. Nach einer Prognose der UN wird sich die weltweit anfallende Menge bis 2030 auf 74 Millionen Tonnen steigern – angefeuert hauptsächlich durch die hohen Konsumraten und die kurzen Lebenszyklen im Bereich elektrischer und elektronischer Geräte.
Elektroschrott belastet Mensch und Umwelt, denn er ist eine besonders aggressive und schädliche Art Müll. Die Platinen und Akkus von IKT enthalten mindestens ein giftiges Metall, meist handelt es sich um Blei, Kadmium oder Beryllium. Alle diese Stoffe können schwere organische Erkrankungen bei Kontakt erzeugen. Ein Ort, der aufgrund des Themas Elektroschrott traurige Berühmtheit erlangt hat, liegt in Ghana. Es ist der Schrottmarkt Agbogbloshie, der unweit der Hauptstadt Accra liegt. Hier werden jährlich rund 250.000 Tonnen E-Schrott abgeliefert. Die Verwertung des Schrotts ist auch hier eine der wenigen Einkommensquellen – ebenfalls unter akuter Lebensgefahr: Bodenproben aus diesem Gebiet weisen extrem hohe Werte von Blei, gefährlichen Weichmachern und krebserregenden Dioxinen auf. Denn die Plastikteile von Computern, Monitoren und Fernsehern werden verbrannt, um die wertvollen Metalle zu lösen, welche sich auf dem Schrottmarkt verkaufen lassen. Diese Arbeiten werden von teilweise erst fünfjährigen Kindern ohne Schutzbekleidung durchgeführt – mit primitivem Werkzeug und den Händen.