Doch grobe Schätzungen lassen sich auch anders erstellen, sogar mit weniger Aufwand und nach einem einheitlichen und leicht überprüfbaren Schema. Die Frage ist zuvor, welche Erkenntnis man aus einer solchen Scope3-Bilanz ziehen will. Schließlich treten die Emissionen bei anderen Akteuren auf, entziehen sich also dem unmittelbaren Einfluss des Unternehmens. Lediglich über den Einkauf lassen sich diese Emissionen steuern, doch hier ist der Einfluss meistens begrenzt. Primär geht es um eine Wesentlichkeitsanalyse: Welche Rohstoffe, Vorprodukte oder Vorleistungen liefern den größten Beitrag zur Klimabilanz? Und: Welchen Einfluss haben verschiedene Lieferländer? Sollte man das Aluminium aus China oder besser aus Norwegen beziehen?

2.1 Verlässliche Datengrundlagen

Gerade die Lieferkette mit ihren internationalen Verflechtungen ist sehr schwierig zu erfassen – für ein einzelnes Unternehmen. Allerdings gibt es auf der Branchen- und Länderebene detaillierte Statistiken, mit denen diese Lieferbeziehungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssektoren und Ländern nachgezeichnet werden können. Diese Handelsbilanzen sind belastbar, werden nach weitgehend einheitlichen Standards erstellt und kontinuierlich fortgeschrieben. Sie sind die eine Datensäule des hier vorgestellten Verfahrens. Die andere Datensäule besteht aus den THG-Emissionsbilanzen der verschiedenen Länder, die sich meistens auch nach Wirtschaftssektoren aufschlüsseln lassen. Diese nationalen Emissionsbilanzen sind ebenfalls recht genau, werden ebenso nach einheitlichen Standards erstellt und jährlich fortgeschrieben. Beide Datensätze lassen sich nun kombinieren und in einem Rechenverfahren so verknüpfen, dass sich daraus die Emissionen der Vorleistungen für eine bestimmte Branche in einem bestimmten Land ermitteln lassen.

2.2 Die Multi-Regional-Input-Output-Analyse (MRIOA)

Das Verfahren wird Multi-Regional-Input-Output-Analyse (MRIOA) genannt und basiert auf sogenannten Leontief-Modellen, benannt nach dem Wirtschaftsnobelpreisträger Wassily Leontief (1906-1999). Sie sind ein Standardverfahren in den Wirtschaftswissenschaften und werden seit vielen Jahrzehnten eingesetzt, z. B. für die volkswirtschaftliche und umweltökonomische Gesamtrechnung eines Landes.

Im Unterschied zu den oben beschriebenen Emissionsbilanzen gibt es bei den Handelsbilanzen allerdings zwei Unterschiede:

  1. Erstens messen sie die Lieferbeziehungen in Währungen, also in Euro oder Dollar, nicht in physikalischen Mengeneinheiten wie kg. Deshalb müssen die Emissionen der Länder ebenfalls auf monetäre Größen bezogen sein (Beispiel in Tab. 1). Wegen der Preisschwankungen oder Inflation muss außerdem stets eine Preiskorrektur vorgenommen werden.
  2. Zweitens werden in den Wirtschaftssektoren verschiedene Produkte zu Produktgruppen zusammengefasst, es herrscht also eine gewisse Vergröberung bei der Produktzuordnung. Man orientiert sich hier zum Beispiel an der Gliederung des sogenannten NACE-Standards.

Für die Berichterstattung der THG-Emissionen hat dieser Ansatz jedoch entscheidende Vorteile: Die Daten sind einheitlich erhoben, nach dem gleichen System. Sie werden kontinuierlich nach der gleichen Methode fortgeschrieben. Sie berücksichtigen globale Handelsverflechtungen und sie lassen sich auch auf nicht homogene Vorprodukte – z. B. Maschinen oder komplexe Geräte und Vorprodukte – sowie Dienstleistungen anwenden, für die selten Datenbankwerte vorliegen (siehe Beispielwerte in Tab. 1).

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