Die Methode bietet auch selbst einen Ansatz zur kontinuierlichen Verbesserung der Datenqualität bis hin zu einer "echten" spezifischen Scope-3-Emissionsbilanz. Dieser Ansatz wurde vor ca. 15 Jahren schon einmal in Forschungsprojekten zusammen mit Unternehmen wie z. B. Volkswagen entwickelt. Mit dem Scope-3-Analyzer wurde sie erneut getestet. Die Idee ist dabei, in der Lieferkette eine Rekursion an Berechnungen zu starten. Der Scope-3-Analyzer stellt eine vereinfachte Bilanz der Lieferkette dar (siehe Abb. 9). Durch eine geschickte Anwendung des Tools auch in der Lieferkette, also bei den Lieferanten und Vorlieferanten, können die spezifischen Emissionen des Unternehmens immer besser abgebildet werden (siehe Abb. 10). Voraussetzung dafür ist, dass das Tool auch eine Erfassung der Scope-1 und -2-Emissionen des jeweiligen Unternehmens bzw. Lieferanten zulässt. Der Scope-3-Analyzer bietet genau diese Funktionalität.
Der Scope-3-Analyzer kann auch die Scope-1- und Scope-2-Emissionen berechnen
Trotz seines Namens können auch die Scope-1 und -2-Emissionen mit den entsprechenden spezifischen Eingaben berechnet werden.
Abb. 9: Vorgehen mit dem Scope-3-Analyzer: Die Scope-1 und -2-Emissionen werden direkt ermittelt (grün), die Scope-3-Emissionen aus der Lieferkette werden mit Handelsdaten pauschal ermittelt (blau).
Abb. 10: Erweiterung des Vorgehens, wenn auch die Lieferanten den Scope-3-Analyzer einsetzen: Die Scope-1 und -2-Emissionen werden direkt ermittelt (grün), nur die Scope-3-Emissionen am Ende der betrachteten Lieferkette werden noch mit Handelsdaten ermittelt (blau) und stellen einen kleineren Rest dar.
Bilanzierung ausgehend von einem fokalen Unternehmen
Stellen wir uns dazu ein Unternehmen vor, von dem ausgehend die Bilanz betrachtet wird. Wir nennen es das fokale Unternehmen. Bei seiner ersten Bilanz mit dem MRIOA-Ansatz berücksichtigt es die Produktgruppen bzw. Branchen und das Bezugsland. Damit bekommt es eine erste Schätzung (Abb. 10). Dann liefert es an die wichtigsten Lieferanten ebenfalls das Berechnungstool und bittet, nach diesem System die Emissionsbilanz des jeweiligen Lieferanten durchzuführen und die Ergebnisse an das fokale Unternehmen zurückzuspielen. Das hätte den Vorteil, dass die Emissionen des Lieferanten in der ersten Stufe (Tier 1) bereits genauer erfasst sind, denn er kann seine spezifischen Emissionen aus Scope-1 und -2 bereits berücksichtigen. Bei Scope-3 greift er dann wieder auf MRIOA zurück, aber eben für die zweite und folgenden Lieferantenstufen (Tier 2…). Für das fokale Unternehmen könnten so schon verbesserte Daten entstehen, denn die konkreten Lieferanten hätten ihre Scope-1 und Scope-2-Emissionen bereits exakt eingespielt. Lediglich in der Lieferkette ab Tier-2 hätte man wieder statistische Branchendaten zugrunde gelegt. Nun könnte aber auch der Lieferant (Tier 1) seine wichtigsten Lieferanten (Tier 2) bitten, die Bilanzen nach dem gleichen Verfahren zu erstellen. So würde eine Rekursion entstehen, bei der nur die "Letzten" in der Kette bzw. die weniger relevanten Lieferanten in ihren Emissionen geschätzt werden.
Es gibt bereits Consultants, die diese Verfahren anbieten, d. h. dem fokalen Unternehmen ermöglichen, den Berechnungsalgorithmus an ihre Lieferanten weiterzureichen und deren Ergebnisse dann zurückspielen. Damit könnte mit der Zeit eine sehr zuverlässige Emissionsbilanz der Lieferkette entstehen. Sie hat allerdings eine entscheidende Vorbedingung: Die Einheiten, in denen Scope 3 gerechnet wird, bzw. die Metrik, wie die Fachleute sagen, sind nicht physikalische Einheiten (z. B. kg), sondern monetäre (z. B. Euro). Das ist eine gewisse Gewöhnungssache, denn die Fachszene geht bei Ökobilanzen und Carbon Footprints bisher meistens von physikalischen Größen aus. In der Praxis hätten monetäre Größen als Datenbasis einen großen Vorteil, doch muss man einige Besonderheiten, z. B. Preisschwankungen, Inflation etc. berücksichtigen.