Daniel Schmitz-Remberg, Andreas Streubig
Dieses oder auch andere Beispiele, die Sie vielleicht aus Ihrem Unternehmen kennen, sprechen dafür, die Integration der Klimawandelauswirkungen in das betriebliche Risikomanagement voranzutreiben. Es scheint aber Gründe zu geben, warum sich dies oft noch schwierig gestaltet. Woran liegt das? Diese zehn (und noch einige andere) Hindernisse sind je nach Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt.
3.2.1 Kurzfristige Ausrichtung
Traditionelles betriebliches Risikomanagement konzentriert sich auf unmittelbare Bedrohungen, kann jedoch langfristige Herausforderungen wie den Klimawandel übersehen oder unzureichend priorisieren, insbesondere wenn sie sich schrittweise oder außerhalb typischer Berichtszyklen manifestieren. Die Richtlinie IAS 37 bezeichnet dies als "Eventualschuld" für die keine Rückstellungen zu bilden sind.
Wo dahingegen Rückstellungen gebildet werden, ist die Wahrscheinlichkeit und Stringenz von Präventivmaßnahmen/Risikomanagement deutlich höher. Eine passende Kennzahl, die das in den Blick nimmt, wäre etwa ROCE ("Return on Capital Employed")
Es gibt jedoch mehrere Standards, die eine langfristige Perspektive fordern (z. B. SASB, ISSB, CSRD, TCFD, GRI).
3.2.2 Mangel an Bewusstsein und Bildung
Nicht alle Unternehmensführer und Entscheidungsträger sind ausreichend über die spezifischen Risiken informiert, die der Klimawandel für ihre Betriebe, Lieferketten oder Marktnachfrage darstellt. Dies kann zu einer Unterschätzung oder völligen Ignoranz solcher Risiken führen ("Das wird schon nicht so schlimm").
3.2.3 Wahrgenommene Komplexität
Die Klimawissenschaft ist komplex, und die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Branchen, geografische Standorte oder ganze Wertschöpfungsketten können schwer mit Präzision vorhergesagt werden. Diese wahrgenommene Komplexität kann Unternehmen davon abhalten, fundierte wissenschaftliche Prognosen in die Risikobewertungen zu integrieren. Getreu dem Motto, nichts ist so unsicher wie Vorhersagen, insbesondere über die Zukunft, werden traditionell historische Daten extrapoliert. So können exponentielle Risiken (s. a. Chart der Erwärmung) nur unzureichend erfasst werden.
3.2.4 Unzureichende Daten und Werkzeuge
Historisch gesehen hatten viele Unternehmen keinen Zugang zu granularen Daten oder Werkzeugen, um die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre spezifischen Operationen zu modellieren. Dank der Fortschritte in Technologie, Wissenschaft und Datenanalytik hat sich dies inzwischen geändert, vielen potenziellen Nutzern in Unternehmen ist dies jedoch noch nicht bekannt oder es gibt Berührungsängste. Die Einführung und Nutzung digitaler Klimarisikoanalyselösungen erfordert zwar Fachkompetenz, diese ist inzwischen am Arbeitsmarkt sowie über externe Dienstleister hinreichend verfügbar.
3.2.5 Renditeorientierung
Investitionen in die Klimaanpassung können kostspielig sein, und in Abwesenheit klarer Investitionsrenditen stellen einige Unternehmen diese Investitionen zugunsten anderer mit klarerem, kurzfristigem ROI zurück. Nur wenige Firmen arbeiten mit einem Return on Resilience Investment ("RORI"), die einen Abgleich des Werts der Klimarisikoreduktion mit anderen Investitionen ermöglicht. Mehr zum RORI im nächsten Kapitel (Kapitel 4).
3.2.6 Regulatorisches Umfeld
Bisher fehlten gesetzliche Vorschriften und damit zwingende Anreize, die Unternehmen verpflichten, Klimarisiken zu berücksichtigen. Eine vielversprechende Entwicklung in diesem Kontext ist die CSRD, die Tausende in der EU tätige Unternehmen auffordert, sowohl positive als auch negative Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäft zu bewerten. Oft wird dies jedoch als regulatorische Pflichtübung gesehen, die mithilfe einiger weniger Experten-Interviews abgewickelt wird. Es fehlt die fundierte Betrachtung, die wirklich strategische Gestaltungsmöglichkeiten für das Geschäft aufzeigen könnte.
3.2.7 Druck der Stakeholder
Historisch gesehen haben sich Aktionäre und andere Schlüsselakteure insbesondere auf die Dekarbonisierung der Unternehmen fokussiert. Der Klimaanpassung wurde bisher wenig Bedeutung zugemessen. Mit zunehmendem Bewusstsein gibt es jedoch jetzt wachsenden Druck von Investoren, Kunden und sogar Mitarbeitenden, nachhaltige und adaptive Praktiken zu priorisieren.
3.2.8 Kulturelle und organisatorische Trägheit
Die Änderung des Risikomanagementansatzes eines Unternehmens erfordert Veränderungen in Kultur, Denkweise und manchmal Organisationsstrukturen. Widerstand gegen Veränderungen und Trägheit können als Barrieren wirken. Die betroffenen Bereich Finance, Supply Chain und Nachhaltigkeit haben derzeit noch andere Prioritäten.
3.2.9 Missverständnis des Umfangs
Einige Unternehmen könnten glauben, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Sektoren (zum Beispiel Landwirtschaft) beschränkt sind. Das Verständnis, dass der beschleunigende Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten schlimmer wird und damit sämtliche Bereiche des Lebens betrifft ist nur schwer zu vermitteln. Es entsteht hier ein universelles Risiko, für das neue Herangehensweisen gefunden werden müssen.
3.2.10 Externalisierung der Kosten
Unternehmen könnten glauben, dass die Kosten für die Klimaanpassung von anderen (Regierungen, Versicherern oder der Gesellschaft insgesamt) getragen werden und daher nicht das sofortige Bedürfnis verspüren, diese Kosten und Risiken zu i...