Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Zusammenfassung
Die Sicherstellung der Einhaltung von breit verstandenen Menschenrechten wird von der Regulierung auf europäischer und nationaler Ebene immer stärker von Unternehmen erwartet. Dabei greifen die verschiedensten Regulierungen nicht immer direkt ineinander, häufig sind Anwendungszeitpunkte, Inhalte und Zielgruppe unterschiedlich, doch dennoch gibt es gegenseitige Verweise. Durch die Notwendigkeit der Betrachtung der Liefer- oder Wertschöpfungskette gibt es zudem sehr viele indirekt betroffene Unternehmen, die ihren Geschäftspartner gegenüber unter anderem auch die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bestätigen sollen bzw. generell in die Überwachungspflichten der verpflichteten Unternehmen geraten. Während in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hier konkrete Anforderungen stellt, liegen mit der Taxonomie-Verordnung Verpflichtungen zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten als Mindestschutz sowie mit der aktuell umzusetzenden Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie Verpflichtungen zur Wesentlichkeitsanalyse von Nachhaltigkeitsthemen vor, die auf den Sorgfaltspflichten aufbauen sollen. Wenig sinnvoll erscheint daher, dass die eigentliche Verpflichtung auf europäischer Ebene erst aktuell verabschiedet wird mit Wirkung ab voraussichtlich dem Geschäftsjahr 2028 mit der Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD).
1 Grundlage der Sorgfaltspflichten
Mit dem LkSG macht der Gesetzgeber Unternehmen konkrete Vorgaben wie sie ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte nachkommen sollen. Dabei erfolgt nach § 2 LkSG sowie in Anlage 2 eine abschließende Aufzählung der zu beachtenden internationalen Vereinbarungen. Bei den aufgeführten Vereinbarungen kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Abkommen in dem Sitzland des Geschäftspartners ratifiziert wurden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 LkSG). Inhaltlich handelt es sich um die geschützten Menschenrechte der International Labour Organisation (ILO) Kernarbeitsnormen, die vor allem dem Schutz vor Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung sowie Sklaverei und der Achtung von Arbeitsschutzpflichten, der Koalitionsfreiheit sowie des Mindestlohns fordern. Daneben zielt das LkSG auf den Schutz vor bestimmten umweltbezogenen Risiken aus dem Umgang mit Quecksilber, Chemikalien und der Ein- und Ausfuhr von Abfällen ab.
Die europäischen Regulierungen sind hier deutlich weniger bestimmt. Es wird etwa in Art. 18 der Taxonomie-VO (2020/852/EU) sowie in der Richtlinie (EU) 2022/2464 (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und dem als Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 der Kommission ergänzten ersten Set von 12 European Sustainable Reporting Standards (ESRS) zwar auch auf die zentralen Übereinkommen der ILO abgestellt, ansonsten aber auf die bislang eher freiwilligen Empfehlungen für multinationale Unternehmen verwiesen. Diese sind allgemein die Internationale Charta der Menschenrechte sowie auf die Unternehmen heruntergebrochen etwa in den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, den Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte konkretisiert. Diese Leitlinien werden mit den Regulierungen nun für die Unternehmen quasi zur Pflicht, wobei die Regulierungsgeber bereits viele der Aspekte in bestehende Gesetze umgesetzt haben. Auch gibt es bereits ein wenig beachtetes Recht auf ein Schlichtungsverfahren von (indirekt) betroffenen Personen und Organisationen bei (vermuteten) Verstößen gegen die OECD-Leitsätze. Die Beschwerde- und Schlichtungsstelle der nationalen Kontaktstelle ist am Bundesministerium für Wirtschaft und Umweltschutz angesiedelt und kann zwar keine Strafen verhängen, doch wird der Schlichterspruch veröffentlicht. Dabei sind die Vorgaben in den viele Seiten starken Dokumenten oft sehr schwammig formuliert und wenig greifbar. Eher juristisches Problem in diesem Zusammenhang ist, dass sowohl der europäische Verordnungs- und Richtliniengeber als auch der deutsche Gesetzgeber dies als statische Verweise ausgeführt haben bzw. ausweisen mussten – ein dynamischer Verweis auf Normen außerhalb des eigenen Regelungsbereichs würde die eigene Regulierungskompetenz beschneiden. Daher ist aktuell etwa fraglich, ob die Überarbeitung der ILO-Normen insb. zum Gesundheits- und Arbeitsschutz aus dem Jahr 2022 zu beachten sind, da diese nicht konkret aufgeführt wurden in den Regulierungen und zum Zeitpunkt des Regulierungsverfahrens nicht in den verwiesenen Normen enthalten war.