Maximilian Henkel, Achim Wenning
Nachhaltigkeit kristallisiert sich als immer dominanteres Thema auf der Unternehmensagenda heraus. Externe Regularien zwingen Unternehmen zu einer genaueren Berichterstattung zum Fortschritt ihrer eigenen Bemühungen. Vor allem aber sehen die eigenen Kunden nachhaltiges Wirtschaften zunehmend nicht mehr als Differenzierungskriterium gegenüber der Konkurrenz, sondern erwarten verantwortungsvolles Handeln als Grundvoraussetzung, ohne die sie von Produkten und Dienstleistungen zukünftig Abstand nehmen. Nicht zuletzt spüren Unternehmen seit Längerem auch den Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt. Um die Expertinnen und Experten von heute zu halten sowie die Talente von morgen anzuziehen, wird ein authentisches Nachhaltigkeitsbekenntnis des eigenen Unternehmens mehr und mehr zum Must-have.
Korrespondierend hierzu deuten die Studienergebnisse an, dass Nachhaltigkeit nur selten reiner Selbstzweck ist, sondern für viele Unternehmen das Abwägen von mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Interessen. In puncto Stellenwert der Thematik haben nahezu alle Studienteilnehmenden ein einheitliches Verständnis: Unternehmen, die sich heute nicht intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzten, werden mittelfristig wesentliche Wettbewerbsnachteile haben.
Anspruch und Realität klaffen noch auseinander
So klar Nachhaltigkeit als Top-Thema identifiziert wird, so deutlich ist heute auch noch die Diskrepanz zwischen Status quo der Umsetzung und eigenem Anspruch – auch und insbesondere im Finanzbereich. Genau wie Präsenz und Bedeutung des Themas nimmt auch die Komplexität bei der unternehmensinternen Umsetzung zu. Statt singuläre Maßnahmen im Nachhaltigkeitsumfeld zu verfolgen, betrachtet eine Mehrzahl unserer Studienteilnehmenden Nachhaltigkeit inzwischen als echte transformatorische Aufgabe. Ein Wandel, der gesamtheitlich und bereichsübergreifend koordiniert und gesteuert werden muss. Zudem ein Wandel, der einer gemeinsamen, das heißt unternehmensweiten Sicht bzw. Sprache auf das Thema bedarf. Selbst beim derzeit noch vorherrschenden Fokus auf "nur" eine Facette von Nachhaltigkeit, nämlich die umweltbezogene Komponente, ist dies schon eine Mammutaufgabe.
Wandel zum "Sustainability Performance Manager"
Der Finanzbereich hat mit Bezug auf die nachhaltigere Ausrichtung des eigenen Unternehmens einen klaren Mitgestaltungsanspruch. Eine Mehrheit der Studienteilnehmenden sieht sich selbst künftig in der Rolle des "Sustainability Performance Managers" und misst dem Thema zukünftig eine deutlich höhere Bedeutung bei. Bisweilen ist man häufig noch damit beschäftigt, Informationen zu sammeln, aufzubereiten und zu berichten. Grund sind fehlende klare Rahmenbedingungen, etwa zur gesamtstrategischen Ausrichtung, zum Steuerungsinstrumentarium, zur Themenverantwortung und zu Berichtslinien beim Thema Nachhaltigkeit. Bevor man dem eigenen Anspruch gerecht werden kann, gilt es also, Grundlagenarbeit zu erledigen: Nachhaltigkeit definieren, den Status quo transparent machen, Ziele und Zielwerte festlegen, um anschließend den Transformationsprozess effektiv und effizient steuern zu können. Gemäß der Studienergebnisse gehen die Unternehmen diese Herausforderungen im Rahmen ihrer aktuellen Maßnahmen an – bei einem Thema mit solch großem Stellenwert allerdings noch zu zögerlich.
Finance als konzeptioneller Mitgestalter
Das effektive und effiziente Handling des Transformationsprozesses gelingt vor allem dann, wenn eine Nachhaltigkeitsteuerung nicht als losgelöstes Steuerungsinstrumentarium konzipiert wird, sondern integraler Bestandteil etablierter Steuerungsprozesse wird. Auch, weil ein Mehr an Nachhaltigkeit den ökonomischen Zielen eines Unternehmens häufig nicht konfliktfrei gegenübersteht. Oder mit anderen Worten: Nachhaltigkeit kostet in der Regel Geld.
Der Finanzbereich sieht – das kann man den Studienergebnissen entnehmen – diverse Berührungspunkte der Nachhaltigkeitstransformation mit seinen etablierten Kernfunktionen und -kompetenzen. Die Fähigkeit, Wirkzusammenhänge anhand geeigneter KPIs verständlich zu machen, wesentliche Wirkhebel transparent zu machen und die ökonomischen Auswirkungen einzuschätzen, ist für den Finanzbereich die optimale Voraussetzung, um im Rahmen der Nachhaltigkeitssteuerung eine exponierte Stellung einzunehmen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass man sich von Anfang an in die Konzeption eben dieser Steuerung einbringt, um Zusammenhänge wie die Emissionen in Scope 1, 2 und 3 oder die Wirkhebel für verstärkte Kreislaufwirtschaft zu verstehen sowie modellieren zu können.
Der CFO-Bereich sollte die aktuelle Entwicklung daher vor allem als Chance verstehen, sich in eine tragende Rolle hinein zu entwickeln. Insbesondere bei der Aufgabe, mit Blick auf Nachhaltigkeit eine einheitliche Sprache zu definieren und Ökonomie und Nachhaltigkeit integriert und effizient zu steuern, führt kein Weg am Finanzbereich vorbei. Nachhaltigkeit muss konsequent, zielgerichtet und mit klaren ökonomischen Rahmenbedingungen vorangetriebe...