Maximilian Henkel, Achim Wenning
Auf Basis der bisher betrachteten Studienergebnisse konnte bereits aufgezeigt werden, welche Bedeutung das Thema Nachhaltigkeit nach Einschätzung der Teilnehmenden zukünftig einnehmen wird und welche Ambitionen der Finanzbereich in diesem Zusammenhang hat. Auf dem Weg, die eigene Zukunftsambition in die Tat umzusetzen, sieht sich der Finanzbereich aktuell allerdings auch mit einigen Herausforderungen konfrontiert.
2.4.1 Ohne klares Ziel keine optimale Route
Knapp 2/3 der Befragten geben an, dass ihnen vor allem die unzureichend konkretisierte strategische Zielsetzung in puncto Nachhaltigkeit und damit einhergehend unklare Zielpfade im Weg stehen (vgl. Abbildung 13).
Nachvollziehbarerweise bremst die Unsicherheit über ein gesamtunternehmerisches Nachhaltigkeitsziel die Weiterentwicklung von Steuerungsmechanismen und erschwert die Formulierung geeigneter Maßnahmenbündel. Ohne die Gewissheit, dass man gemeinsam auf ein konkretes Nachhaltigkeitsziel – bzw. mehrere konkrete Ziele – hinarbeitet, entwickeln sich häufig unverbundene, bereichsspezifische Initiativen. Oftmals führt dies zu Ineffizienzen, weil gleichartige Überlegungen, etwa zu Minderungspotenzialen im unternehmensinternen Emissions-Scope 1, an diversen Stellen stattfinden, oder weil die größten Wirkhebel nicht mit Vorrang genutzt werden.
Im schwerwiegenderen Fall kann dies jedoch auch zu konfliktären Aktivitäten oder dazu führen, dass "Nachhaltigkeit um jeden Preis" betrieben wird, weil keine bindenden ökonomischen Nebenbedingungen formuliert wurden. Vor dem – im schlechtesten Fall unkoordinierten – Anstoßen von Nachhaltigkeitsmaßnahmen sollte folglich ein unternehmensweit gültiges Nachhaltigkeitszielbild mit konkreten Zielwerten oder zeitlichen Zielpfaden erarbeitet und verabschiedet werden. Aufbauend auf diesem Zielbild können Handlungsfelder wie etwa die Reduktion von Emissionen in den Scopes 1, 2 und 3 die Optimierung kreislaufwirtschaftlicher Aspekte ("From cradle to grave") oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ins Auge gefasst werden.
Bei der Frage, welche Ziele verfolgt werden, wann sie erreicht werden sollen, und wo die geeignetsten Stellhebel liegen, kann der CFO-Bereich seine Stärken ausspielen, zum "Sustainability Performance Manager" avancieren und so seinem eigenen Anspruch gerecht werden. Sowohl beim Design der genannten Zielsysteme als auch bei deren operativem Betrieb sind seine Kompetenzen gefragt.
Abb. 13: Aktuelle Herausforderungen bei der Nachhaltigkeitstransformation im Finanzbereich (Mehrfachnennungen möglich)
2.4.2 Fehlende Klarheit zu Themenverantwortung und internen Abläufen
Als zweitgrößte Herausforderung, mit 70 % Zustimmung, gaben die Teilnehmenden an, dass aktuell Unklarheit zu Rollen und Verantwortlichkeiten für den Themenkomplex Nachhaltigkeit herrscht.
Der Wunsch nach einer eindeutigen Themenverantwortung ist legitim. Allerdings löst auch die strikte Zuordnung der Verantwortlichkeit zu einem (neu geschaffenen) Nachhaltigkeitsbereich dieses Spannungsfeld nur bedingt auf, da Interdisziplinarität und allgemeine Tragweite des Themas unverändert fortbestehen (vgl. Abschnitt 2). Es wird zwangsläufig dazu kommen, dass Meinungen und Kompetenzen diverser Fachbereiche angehört, eingebracht und miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Betrachtet man die Nachhaltigkeitstransformation als lange laufendes, interdisziplinäres Programm, braucht es einen verantwortlichen Programmleiter bzw. eine -leiterin, der oder die die crossfunktionale Zusammenarbeit sicherstellt. Dies muss aber nicht zwingend mit Änderungen an der Aufbauorganisation im Unternehmen einhergehen.
Mit den genannten Unklarheiten bei Rollen und Verantwortlichkeiten korrespondiert auch die gemäß Studienergebnissen größte Herausforderung: 85 % der befragten Finance-Verantwortlichen sehen unzureichend etablierte Prozesse und Berichtslinien für den neuen Themenbereich als die aktuell wesentlichste Hürde an. Um nur einige Aspekte zu nennen, die hiervon tangiert sind:
- Wie und durch wen erfolgt die Datenerhebung zu Nachhaltigkeitsaspekten?
- In welcher Form werden die Informationen in das Berichtswesen integriert?
- Wie schlagen sich Nachhaltigkeitsziele in der Planung von Investitionen nieder und wo laufen die Fäden zusammen?
- Wer entscheidet in letzter Konsequenz über (Korrektur-)Maßnahmen und Projekte?
- Wie läuft künftig der Entscheidungsprozess, zum Beispiel bei Investitionsalternativen, der neben einer finanziellen Alternativenbewertung auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen muss?
Überführt in ein konkretes Beispiel wird sich ein produzierendes Unternehmen zukünftig fragen müssen, ob bei neuen Produktionsstätten weiterhin auf die konventionelle und häufig kostengünstigere Variante gesetzt werden soll, oder ob die "grüne" Variante mit Photovoltaik auf dem Hallendach und Geothermie als Alternative zur Erdgas-Beheizung zukunftsfähiger ist. Die neu hinzutretende Dimension Nachhaltigkeit führt notwendigerweise zu Anpassungen in bisherigen unternehmerischen Steuerungs- und Entscheidungsprozessen, da die klassischen Mechanismen, die vorwiegend auf rein wirtschaftliche Kriterien abziel...