Lufthansa – CO2-neutrales Fliegen
Bei dem nächsten prominenten Beispiel wird die Grauzone von Greenwashing und echter, wahrhaftiger Nachhaltigkeit deutlich: Lufthansa versucht, seinen Kunden ein gutes Gewissen zu vermitteln, indem der Konzern CO2-neutrales Fliegen anbietet. Tatsächlich wird der Flug durch Spenden an grüne Organisationen "kompensiert", zum Beispiel über myclimate. Auf diesem oder vergleichbaren Portalen kann der durch den Flug verursachte CO2-Ausstoß ermittelt und durch einen freiwilligen Geldbetrag ausgeglichen werden. Mit diesem Geld werden dann beispielweise Biogasanlagen in Kenia gebaut, die Forschung zur Solarenergie unterstützt oder Bildungsprogramme in Sachen Umwelt gefördert. Aber es saugt das CO2 trotzdem nicht aus der Luft. Vergleichbare Praktiken wurden auch beim "Ablasshandel" angewendet. Hier werden in gewisser Weise auch Sünden erlassen – Umweltsünden.
Klimaneutralität begegnet uns im Alltag immer öfter. Mittlerweile gibt es klimaneutrale Kaffeebecher, klimaneutrale Fotobücher oder, wie skizziert, klimaneutrale Flugreisen. Ebenso werben Unternehmen prominent mit Slogans wie "Seit 2013 arbeiten wir klimaneutral", "Klimaneutraler Versand" oder "Ab 2030 soll unser Anlageportfolio klimaneutral sein". In der Regel wird aber nicht erläutert, was der Begriff bedeutet und wie die versprochene Klimaneutralität hergestellt werden soll.
Was bedeutet klimaneutral?
Im Grunde bedeutet der Begriff Klimaneutralität, "dass durch ein Produkt, durch eine Dienstleistung oder durch einen Prozess die Menge an klimaschädlichen Gasen in der Atmosphäre nicht erhöht wird".
Klimaneutralität ist damit auf den ersten Blick eine gute Sache. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, wie die klimaschädlichen Gase vermieden werden. Der nachfolgende Fall soll – in Anlehnung an ein Beispiel der Deutschen Umwelthilfe – erläutern, welche Möglichkeiten es gibt.
Einweg-Kaffeebecher
Der Fall: Ein Unternehmen produziert für die Starbucks Coffee Company Einweg-Kaffeebecher. Bei der Herstellung, der Lagerung, dem Transport und der Abfallentsorgung fallen schädliche Klimagase (u. a. CO2) an.
"Jährlich werden in Deutschland etwa 2,8 Milliarden Coffee2Go-Becher weggeworfen. Das sind laut einer Studie des Umweltbundesamtes 34 pro Kopf. 60 % der Einwegbecher sind kunststoffbeschichtete Papierbecher, die restlichen 40 Prozent reine Kunststoffbecher. Hinzu kommen 1,3 Milliarden Deckel. Alleine die kunststoffbeschichteten Pappbecher füllen pro Jahr acht Millionen typische Stadt-Mülleimer." Mehrheitlich können die Einwegbecher aufgrund des Mischkunststoffs nicht recycelt werden. Die Starbucks Coffee Company trägt – wie viele andere in der Branche auch – wesentlich zu dieser Umweltproblematik bei und fiel dabei immer wieder durch leere Versprechungen auf. Bereits im Jahr 2008 hat das Unternehmen u. a. zugesagt, nur noch Kaffeebecher anzubieten, die zu 100 % recycelbar sind. Zudem sollten 25 % der Getränke, die über den Tresen wandern, in wiederverwendbaren Bechern verkauft werden. "Leider sind die typischen Plastik- und Pappbecher von Starbucks [immer noch] alles andere als umweltfreundlich oder recyclebar."
Die 2 Möglichkeiten der Klimaneutralität
Damit die Kaffeebecher als klimaneutral verkauft werden können, müssen diese Klimagase auf null reduziert werden. Hier hat das Unternehmen 2 Möglichkeiten:
- Kompensation: In gleicher Menge werden klimaschädliche Gase an einem anderen Ort auf dieser Welt erst gar nicht in die Atmosphäre eingebracht. Das Unternehmen zahlt zum Ausgleich für die "Nicht-Einbringung" einen bestimmten Geldbetrag an eine Organisation, die dem Unternehmer ein Zertifikat ausstellt, das besagt, dass seine Emissionen kompensiert wurden. Die Organisation finanziert mit dem Geld Projekte nicht selten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dadurch wird z. B. der Einsatz von Solarkühlschränken gefördert, um das Abholzen von Wäldern oder den Betrieb von Dieselgeneratoren zu minimieren. Das, was der eine an Emissionen erzeugt, wird von einem anderen durch den Verzicht auf die Einbringung von Emissionen ausgeglichen. Ein Nullsummenspiel, zumindest in der Theorie.
- Anpassung: Das Unternehmen passt seine eigenen Prozesse an und nutzt u. a. biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe sowie erneuerbare Energien für die Herstellung der Becher. Auch die Distribution der Becher könnte auf Transportmittel (u. a. auf Lastenräder für die letzte Meile zum Kunden) verlagert werden, die weniger CO2 ausstoßen. Diese Möglichkeit ist in der Regel aber teurer und aufwendiger als die erste Variante. Allein schon die Berechnung des CO2- oder des H2O-Fußabdrucks auf Produkt- und/oder Unternehmensebene sind anspruchsvolle Aufgaben. Sie werden daher auf der 3. Entwicklungsstufe "Partielle Verankerung von Nachhaltigkeit" angesiedelt und beleuchtet.
Reine Kompensation bringt Klimaschutz nicht voran
Die Deutsche Umwelthilfe bezieht zum Thema Klimaneutralität eindeutig Stellung: "Die rei...