Philippe Lorenz, Lisa Watermann
Die CSRD verpflichtet Unternehmen nicht dazu, über jeglichen Sachverhalt zu berichten, der in irgendeiner Form einen Bezug zu ESG-Themen aufweist. Zu berichten ist nur über das, was wesentlich ist. Dreh- und Angelpunkt der neuen Berichtspflichten ist daher das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (sog. double materiality).
Es gilt: Zum einen ist über die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit eines Unternehmens auf Mensch und Umwelt zu berichten (sog. Impact Materiality). Andererseits ist darzulegen, inwiefern sich nachhaltigkeitsbezogene Aspekte (potenziell) auf die finanzielle Lage eines Unternehmens auswirken (sog. Financial Materiality). Zu berichten ist insofern über die wichtigsten Risiken, denen ein Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist. Solche können sich aus Kostenerhöhungen, erschwerten Finanzierungsbedingungen oder vergleichbaren Faktoren ergeben. Die Berichtspflicht ist bereits dann gegeben, wenn eine Information in nur eine Richtung als wesentlich einzustufen ist. Erfasste Unternehmen haben daher eine Wesentlichkeitsanalyse bezüglich der potenziell zu veröffentlichenden Informationen durchzuführen.
CSRD: Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Buches, hat sich noch kein Marktstandard für den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse entwickelt. Fest steht jedoch schon jetzt, dass es keine einheitliche Lösung im Sinne eines "one size fits all" geben wird: Jedes Unternehmen muss innerhalb der rechtlichen Vorgaben einen für sich passenden Prozess für die Wesentlichkeitsanalyse entwerfen. Da die Wesentlichkeitsanalyse der Startpunkt der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist und maßgeblich über die zu erhebenden und berichtenden Informationen entscheidet, sollte hier sehr sorgfältig vorgegangen werden.
Zentral für die Wesentlichkeitsanalyse sind folgende Vorgaben:
- Die Wesentlichkeitsanalyse muss auf nachweisbaren und, so weit wie möglich, auf objektiven Informationen beruhen.
- Es gibt keine Hierarchie zwischen den Informationen. Die Wesentlichkeit muss für alle Belange mit derselben Sorgfalt geprüft und anschließend darüber berichtet werden.
- Die Untergliederung der zu berichtenden Informationen, von Thema bis Sub-Sub-Thema, Berichtspflichten und Datenpunkten, geben die ESRS vor. Ist diese für ein Unternehmen nicht ausreichend, muss es eigene, granularere Standards für diese wesentlichen Themen entwickeln.
- In den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse müssen auch Stakeholder einbezogen werden. Das bedeutet, dass Stakeholder zur Wesentlichkeitsanalyse beitragen und Rückmeldung geben können. Unter Stakeholdern werden all diejenigen verstanden, die das Unternehmen beeinflussen oder vom Unternehmen beeinflusst werden können. Dies schließt direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen über die gesamte Wertschöpfungskette genauso ein wie die Nutzer der Nachhaltigkeitsberichterstattung von potenziellen Investoren bis zu Gewerkschaften. Zu den Formaten gibt es keine verpflichtenden Vorgaben, hier sind verschiedene Ansätze denkbar.
Drei bis sechs Monate für die Wesentlichkeitsanalyse einplanen
Die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse kann – abhängig von dem konkreten Geschäftsmodell – zwischen drei und sechs Monate in Anspruch nehmen. Dies sollte im Rahmen der zeitlichen Planung eines CSRD-Umsetzungsprojektes berücksichtigt werden, da nur auf Basis der Wesentlichkeitsanalyse die erforderlichen Vorbereitungen zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts vorgenommen werden können.