Auf den ersten Blick klingt diese Forderung vielleicht selbstverständlich. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man, dass in vielen Bereichen gerne Dinge verschwiegen werden, die die Verbraucher möglicherweise von einem Kauf des Produktes abhalten würden, sofern sie von ihnen wüssten. Ein Unternehmen, das seine Produkte mit Kinderarbeit im Ausland herstellen lässt, schreibt dies sicher nicht auf seine "Werbefahne". Lediglich das Label "Made in ..." kann den Verbraucher zu Vermutungen führen.
Ein anderer Aspekt dieser Forderung ist, dem Produkt nicht Fähigkeiten zuzusprechen, die es nicht erfüllen kann. Das kann z. B. im Arzneimittelbereich zu fatalen Folgen führen oder schlicht eine Irreführung des Verbrauchers darstellen. Überlebt ein als bruchsicher angekündigtes Handy z. B. wirklich den "Wurftest"? Und ist es tatsächlich wasserdicht und staubgeschützt bzw. was genau heißt das? Steht eine Servicehotline wirklich jeden Tag 24 Stunden zur Verfügung und zu welchem Preis? Entspricht der Inhalt des zugesandten neuen Handyvertrags wirklich dem, was der Verkäufer einem ein paar Tage vorher am Telefon versprochen hat? Funktioniert die neu gekaufte Hardware wirklich – wie versprochen – mit "plug and play"? Diese Liste lässt sich unendlich fortsetzen und gibt einen Eindruck davon, wo es für Hersteller noch Verbesserungsbedarf gibt, wenn es im Rahmen ihrer Werbung um "ehrliche Information" über deren Produkte geht.
Im "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" (UWG) gibt es u. a. einen Paragraphen über "irreführende geschäftliche Handlungen" zum Schutz der Verbraucher, der sicher auch im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgas-Skandal relevant gewesen ist.
Was damit gemeint ist, geht aus § 5 Abs. 2 Satz 1 UWG sehr deutlich hervor:
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
- die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen
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Im Lebensmittelbereich ist offenbar für den Schutz des Verbrauchers vor falschen Versprechungen bzw. für die Erfüllung der Informationspflichten des Herstellers immer noch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zuständig, obwohl die Neuordnung der Ministerien durch die „Ampelkoalition“ den Verbraucherschutz dem BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) zugeordnet hat. So schreibt das BMEL z. B. auf seiner Internetseite:
Kennzeichnung von Lebensmitteln (BMELV) |
"Die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist durch EU-Recht vorgegeben, sodass einheitliche Maßstäbe in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten. Die Hersteller sind verpflichtet, eine Reihe von Angaben, zum Beispiel die Angabe der Zutaten und des Mindesthaltbarkeitsdatums auf dem Etikett in gut lesbarer Form anzubringen." |
Wie diese Vorschrift von den Herstellerfirmen umgesetzt wird, weiß jeder, der schon einmal im Supermarkt eingekauft hat. Das "gut lesbar" wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Ich jedenfalls kann trotz Kontaktlinsen und dem zusätzlichen Einsatz meiner Lesebrille manche Angaben nicht lesen. Und das obwohl die EU-Verordnung 2014 dahingehend erweitert wurde, dass eine Mindestschriftgröße vorgegeben wurde. Das hat übrigens der dm-Drogeriemarkt erkannt und stellt seinen Kunden Einkaufswagen zur Verfügung, an denen Lupen angebracht sind, was ich zwar – vorsichtig ausgedrückt – skurril finde, für den Käufer jedoch ist es äußerst hilfreich. Aber selbst wenn man die Zutatenlisten lesen kann, ist das noch keine Garantie dafür, dass man sie auch (richtig) versteht. Hier besteht ganz klar noch Handlungsbedarf seitens der Produkthersteller. In manchen Bereichen gibt es darüber hinaus (noch) gar keine Kennzeichnungspflicht oder sie muss immer wieder neu verhandelt werden. So gab es z. B. lange Zeit keine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel, dann wurde sie eingeführt. Jetzt wird neu darüber gestritten, ob die so genannte "Neue Gentechnik" den selben strengen Regeln folgen muss, oder ob diese aufgeweicht werden können, weil sie angeblich eine Antwort auf die Veränderung der klimatischen Bedingungen sein könnte.