Prof. Guido Grunwald, Prof. Jürgen Schwill
Erste Gestaltungsansätze ergeben sich aus der "Entgeltpolitik" bzw. einer weiter gefassten Anreizpolitik. Im Rahmen der finanziellen Honorierung ist zunächst dem Grundsatz der gerechten Entlohnung zu folgen. Da es keine absolute Lohn- bzw. Gehaltsgerechtigkeit aufgrund fehlender objektiver Maßstäbe geben kann, sind Kriterien zugrunde zu legen, die eine Annäherung an eine "relative Entgeltgerechtigkeit" ermöglichen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über wichtige "Teilgerechtigkeiten".
Kriterien |
Charakterisierung |
Anforderungsgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" Entgelt ist personenunabhängig und wird bestimmt durch die Anforderungen der Stelle (z. B. körperliches und geistiges Können, Belastung, Verantwortung). |
Leistungsgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn bei gleicher Leistung" Entgelt richtet sich nach individueller Leistung und ist unabhängig von den Anforderungen der Stelle. |
Marktgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn bei gleicher Nachfrage" Entgelt orientiert sich an dem Marktwert der angebotenen Arbeitsleistung. |
Sozialgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn für gleiche Bedürfnisse" Entgelt richtet sich nach den persönlichen Bedürfnissen bzw. persönlichen Umständen (z. B. Familienstand, Dauer der Betriebszugehörigkeit). Entgelt wird auch gezahlt, wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird (z. B. im Krankheitsfall, bei Urlaubszeiten). |
Erfolgsgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn für gleichen Erfolg" Die Höhe des Entgelts hängt ab vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Erfolg wird von allen Mitarbeitern erarbeitet. |
Verteilungsgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn für gleichen Anteil" Es stellt sich die Frage nach dem gerechten Verteilungsschlüssel (z. B. gerechtes Verhältnis von Entgeltsumme und Gewinn). |
Qualifikationsgerechtigkeit |
"Gleicher Lohn für gleiche Qualifikation" Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der Qualifikation der Person. Berücksichtigt wird das Arbeitsvermögen eines Arbeitnehmers, auch wenn es im Rahmen einer momentanen Arbeitstätigkeit nicht ausgeschöpft wird. |
Tab. 1: Entgeltgerechtigkeit
Vermeidung von Entgeltungerechtigkeit wichtiger als Utopie der universellen Entgeltgerechtigkeit
Nicht nur aufgrund eines fehlenden objektiven Maßstabs zur Bestimmung der gerechten Entlohnung, auch bei der Vielzahl der Teilgerechtigkeiten erscheint es illusionär, letztlich "die" Entgeltgerechtigkeit zu erreichen, die alle betroffenen Stakeholder gleichermaßen akzeptieren und als gerecht empfinden. Vielmehr muss es Aufgabe v. a. der Unternehmenspraxis sein, Entgeltungerechtigkeiten zu vermeiden – insb. dann, wenn die Einhaltung der Nachhaltigkeitsprinzipien postuliert wird.
2.5.1.1 Schaffung eines diskriminierungsfreien Entgeltsystems
Relative Entgeltungerechtigkeiten finden sich heute v. a. im Bereich der Entlohnung von Frauen im Vergleich zu Männern und bei der Vergütung von Führungskräften im Vergleich zu Mitarbeitern unterer Hierarchieebenen. Zur Vermeidung derartiger Ungerechtigkeiten bieten sich diskriminierungsfreie Entgeltsysteme an. Sie legen verbindliche Zielgrößen fest und basieren auf relevanten Rechtsnormen. Bspw. werden mit dem seit 6.7.2017 geltenden "Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen", kurz Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), Vorgaben definiert, die ein diskriminierungsfreies Entgeltsystem widerspiegeln (s. Tabelle 2).
Sind Unternehmen bestrebt, derartige Formen der Diskriminierung zu vermeiden, können sie auf diverse Instrumente und Leitfäden zurückgreifen. So lassen sich bspw. mit dem so genannten "Equity Guide" der "International Labour Organization" (ILO) Arbeitsplätze transparent und vergleichbar bewerten. Auf der Basis mehrerer Untersuchungen in verschiedenen Ländern wird der gesamte Arbeitsprozess analysiert – von der Auswahl der zu bewertenden Tätigkeiten über diverse Phasen der Arbeitsbewertung bis zur Entgeltangleichung. Da auf diese Weise die Prozesskomponenten und die zu erfüllenden Kriterien erläutert werden, können diskriminierende Praktiken identifiziert und damit eliminiert werden.
Speziell für kleine und mittlere Unternehmen wird mit dem so genannten "KMU-Gleichstellungscheck" ein Instrument angeboten, mit dem Unternehmen überprüfen können, wie sie im Bereich der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern aufgestellt sind. Um das herauszufinden, sind Fragen zu beantworten in den Themenbereichen
- Personalrekrutierung,
- Arbeitsbedingungen,
- Arbeitsentgelt und
- Kommunikation.
Zu den jeweiligen personalpolitischen Themenbereichen werden zudem konkrete Handlungsempfehlungen und Anregungen für Verbesserungsmaßnahmen angeboten.
2.5.1.2 Vergütung von Führungskräften
Neben den Diskussionen im Kontext der Entlohnung von weiblichen und männlichen Mitarbeitern scheint die Debatte um die Vergütung von Führungskräften v. a. durch die teilweise exorbitanten Managergehälter weitaus höhere Wellen zu schlagen.
Anlasspunkte der Kritik sind zum einen die absolute Höhe der ...