Das Praktikum, ein Türöffner ins Nachhaltigkeitsmanagement?


Praktikum im Nachhaltigkeitsmanagement

Praktika sind für Schulkinder und Studierende! Nicht ganz, meint unser Kolumnist Alexander Kraemer. Das Reinschnuppern ins Nachhaltigkeitsmanagement ist nämlich auch etwas für Professionals. Welche Erfahrungen er mit Secondments und Hospitationen gemacht hat, erzählt Alexander heute.

Ein Studium kann die Tür für eine Karriere weit aufmachen. Und doch geht in der Arbeitswelt nichts über Erfahrung, genauer: Die Berufserfahrung zählt. Mein theoretisches Studium der Wirtschaftswissenschaft mit dem Schwerpunkt Ostasienwissenschaft habe ich daher angereichert durch viele Praktika im In- und Ausland sowie ein Engagement in einer studentischen Initiative. So konnte ich die vielen erlernten Theorien anwenden. Oder ich konnte feststellen, dass ich meine ausgeprägten Skills – etwa in der Kurvendiskussion – niemals wieder brauchen werde.

Praktika sind für Schulkinder und Studierende, oder nicht?

Wir kennen es alle: Der Neffe der Kollegin, gerade erst in die 12. Klasse gekommen, ist für einen kurzen Einsatz mit dabei im Unternehmen bzw. im Team, um die alltägliche Arbeit kennenzulernen. Und endlich kann jemand aufräumen oder die Ablage machen. Wenn Schüler:innen oder Studierenden auftauchen, werden sie als günstige Arbeitskräfte eingesetzt. Und die Bandbreite ist von Social Media bis Vertriebsvorbereitung ziemlich groß.

Nun stellt euch vor, jemand hat schon acht Jahre Berufserfahrung als Projektmanagerin. Diese Person wünscht sich mehr Sinn im Job und denkt über eine Umschulung nach. Ein längerer Einsatz in einem Nachhaltigkeitsteam könnte praxisnah zeigen, welche Möglichkeiten, Aufgaben und Herausforderungen im Nachhaltigkeitsmanagement stecken. Und für diese Form des zeitlich begrenzten Einsatzes gibt es sogar Namen: Secondment oder Hospitation wird das genannt.

Erfahrungen mit Secondments und Hospitationen

Das Instrument des Profi-Praktikums habe ich in der Vergangenheit einmal angeboten, zwei Mal habe ich es sogar selbst in Anspruch genommen. Anbieter und Praktikant zugleich zu sein, hat Qualitäten, aber es ist auch mit erheblichen Vorbereitungen und Aufwand verbunden.
Wenn man so etwas anbietet, sollte man sich vorbereiten: Was ist das Ziel, das wir in ein bis zwei Wochen (oder Monaten) erreichen wollen? Da es sich um eine Lernerfahrung handelt, würde ich stets ein Lernziel vereinbaren, das durch gewisse Aufgaben oder Interaktionen erreicht werden kann. Zudem würde ich immer wieder checken, ob man sich noch auf dem Lernpfad befindet oder ob man bereits abgewichen ist.

Das sind Beispiele für Lernziele:

  • Wie entwickle und validiere ich eine Stakeholder-Landkarte?
  • Wie erarbeite ich eine doppelte Wesentlichkeitsmatrix?
  • Wie schreibe ich ein prüfungskonformes Kapitel in einem Nachhaltigkeitsbericht unter Einbindung von diversen Stakeholdern?
  • Wie entwickle oder starte ich eine Maßnahme zur Steigerung der Nachhaltigkeit in einem Unternehmen?

Nachdem das gemeinsame Lernziel abgestimmt ist, gilt es den Lernpfad zu entwickeln. Wie kann dieses Ziel erreicht werden? Dabei ist wichtig: Es soll für beide Seiten ein Mehrwert entstehen. Denkt immer dran, dass die Person, die eine Zeit bei euch im Team arbeitet, unglaubliche Berufs- und Lebenserfahrung hat. Das ist eine Riesenchance!

Eine Pressesprecherin als Praktikantin für Nachhaltigkeit

Vor vielen Jahren habe ich der Pressesprecherin einer großen Bank ein einwöchiges Praktikum angeboten. Wir hatten ein Lernziel vereinbart und einen Lernpfad entwickelt. Natürlich war uns bewusst, dass dies ein Geben und Nehmen ist. Eine Pressesprecherin mit 20+ Jahren Berufserfahrung im Team zu haben, das ist schließlich ein unschätzbarer Gewinn. Sofern man die Chance nutzt. 

Also haben wir den Lernpfad so aufgebaut, dass wir die Pressesprecherin am Anfang in unsere Aufgaben einbanden, ihr alles zeigten und erklärten. Wir hatten in dem Unternehmen eine besondere Unternehmenskultur, die stark durch inklusive Kolleg:innen geprägt wurde. Und doch war es ein mittelständisches Unternehmen, mit allen Herausforderungen, die damit einhergehen. 

Nach der Eingewöhnungsphase wurde es konkret. Eine besondere Herausforderung hatten wir im Team bislang „aufbewahrt“, um sie zu diesem Anlass gemeinsam anzugehen. Wir wussten, dass wir das auch allein konnten, aber mit der Erfahrung unseres neuen Teammitglieds konnte es nur besser werden. So hatten wir beide etwas davon. 

Wichtig an dieser Stelle: Bindet die Person, die bei euch ist, in alles ein. Keine Geheimnisse oder exklusiven Meetings. Das erzeugt eine gute Vertrauensbasis und die Möglichkeit, Termine mit Stakeholdern zu reflektieren und zu kontextualisieren. Förmliche non-disclosure Agreements helfen, aber eine Klarstellung am ersten Tag hilft noch mehr.

Nachdem wir die konkrete Aufgabe angegangen sind, baten wir die Pressesprecherin darum, eine Lektion in „How to Pressesprecher“ zu geben. Wir hatten diese Funktion im Unternehmen ausgelagert und daher auch in unserem Team wenig Erfahrung im Bereich PR. Und ich kann euch sagen, noch heute wende ich Elemente aus dieser Lektion an. So beendeten wir also den Einsatz mit einem erfüllten, gegenseitigen Lernziel. Und profitiere bis heute von dieser Zeit.

Praktikum mit 42: ein Kurzbericht

Das Praktikum der Pressesprecherin war im Jahr 2014. Genau zehn Jahre später durfte ich für eine Woche als Hospitant in einem Nachhaltigkeitsteam mitwirken. Normalerweise arbeite ich in einem Nachhaltigkeitsnetzwerk, was heißt, dass ich viel über Chancen und Herausforderungen im Nachhaltigkeitsmanagement spreche. Wie die Realität im Unternehmen aussieht, erfahre ich von vielen aber stets aus Erzählungen. Daher wollte ich mal wieder in ein Team reinschnuppern, um den aktuellen Stand der Entwicklungen zu erleben.

Wir gingen ähnlich wie beschrieben vor, vereinbarten ein Lernziel, hatten einen Lernpfad und am Ende durfte ich auch mein Wissen einbringen. Am wertvollsten war, dass ich überall mitlaufen durfte. Ich war in sehr vielen Terminen und durfte tief in die tägliche Arbeit dieser beeindruckenden Fachkolleg:innen eintauchen. Es wurde offen und ehrlich über Herausforderungen gesprochen, so dass ich wirklich etwas gelernt habe.

Ich halte den Bericht bewusst kurz, da ich das Vertrauen des Teams noch heute sehr wertschätze. In dieser einen Woche aktiver Mitarbeit habe ich jedenfalls mehr gelernt als in einer Fortbildung.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Und wie findet ihr das Konzept?

Lasst es mich wissen!

Euer Alex