Öko-Effizienz als Handlungsprinzip für nachhaltigeres Wirtschaften
Nicht erst seitdem die Diskussion um eine nachhaltigere Entwicklung in das Bewusstsein der Menschen vorgedrungen ist, werden Denkprinzipien, Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette von Waren und Dienstleistungen angewendet. Ziel ist und war es schon immer, alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten zu vermeiden. Wenn beispielsweise Entwickler, Designer oder Prozessmanager darüber nachdenken, ein bestehendes Produkt oder einen bestehenden Prozess effizienter zu gestalten, dann konzentrieren sie sich voll und ganz auf das Bestehende.
Es muss nichts Neues erfunden werden. Es müssen "nur" die Grenzen des bislang machbaren verschoben werden. Wenn Maschinen mit einem geringeren Energieverbrauch eingesetzt, kostengünstigere Rohstoffe beschafft, Materialien mit verbesserten Eigenschaften genutzt oder einzelne Prozessschritte automatisiert werden können, dann verändert sich das Input-Output-Verhältnis vorteilhaft. Allerdings scheint das Effizienzpotenzial begrenzt. Irgendwann steht der Aufwand zur Umsetzung der letzten Verbesserungen in keinem Verhältnis mehr zu dem daraus entstehenden Mehrwert, für den die Kunden bereit wären, einen höheren Preis zu bezahlen.
Digitalisierung als Treiber von Effizienz?
Durch die Digitalisierung und allen damit verbundenen Entwicklungen bekommen Effizienzbestrebungen wieder neuen Schub. Die Zahl der Internetnutzer weltweit wächst rasant. Das Internet prägt inzwischen maßgeblich die Art und Weise, wie wir kommunizieren und uns informieren. Immer leistungsfähigere Geräte und schnellere Datenübertragungssysteme sowie die Ausstattung von immer mehr Objekten mit "Intelligenz" werden zu Treibern für mehr Effizienz. Das "Internet der Dinge" wird nicht nur unser privates Umfeld und unsere Arbeitsumgebung prägen, sondern die vierte industrielle Revolution auslösen. Während durch Dematerialisierung (u. a. Miniaturisierung, Werkstoffinnovationen, weniger materialintensive Prozesse) Rohstoffe und Ressourcen effizienter genutzt und Verbrauch und Kosten reduziert werden können, ermöglicht es die Digitalisierung, Wirkungen vollständig in künstliche, immaterielle Umgebungen zu verlagern.
Für viele Unternehmungen ergeben sich daraus ganz neue Geschäftschancen. Und im Vergleich zu den anderen EU-Ländern wird deutlich, dass Deutschland noch viel Potenzial hat, um weiteres Wachstum auf der Basis von effizienzsteigernden Maßnahmen zu generieren. Bleibt die Frage, ob die digitale Transformation auch in Einklang mit einer nachhaltigeren Wirtschaft steht. Der Energieverbrauch durch die Nutzung des Internets – insbesondere von Rechen- und Datenzentren – wird stetig steigen. "Weltweit produzieren IT-Geräte und IT-Anwendungen ca. 800 Millionen Tonnen CO² pro Jahr – das entspricht in etwa den gesamten Treibhausgas-Emissionen Deutschlands." (Schmidt, 2019) Beispielsweise erscheint das Streaming von audiovisuellen Medien unumkehrbar. Diese Facette der Digitalisierung trägt als einer der größten Faktoren zum Energieverbrauch des Internets und damit zum CO²-Ausstoß bei. Vor allem der Datenverkehr, der durch mobile Geräte erzeugt wird, steigt enorm.
Die Digitalbranche erzeugt laut einer Studie des französischen Thinktanks The Shift Project "bereits heute etwa doppelt so hohe CO²-Emissionen wie der gesamte Flugverkehr, knapp vier Prozent des weltweiten Ausstoßes. Tendenz stark steigend. Bei einem ungebremsten Wachstum ist absehbar, dass 2025 die Acht-Prozent-Marke überschritten sein wird und die Digitalbranche damit mehr Treibhausgase erzeugen wird als der gesamte weltweite Kfz-Verkehr! Dieser rasante Anstieg der digitalen CO²-Emissionen läuft damit den Zielen des Pariser Klima-Abkommens krass zuwider" (Kollmann, 2019). Dies betrifft aber nicht nur den Energieverbrauch, sondern auch den daraus resultierenden Elektroschrott. Für die Nutzung der virtuellen Dienste müssen technische Infrastrukturen geschaffen werden und eine Vielzahl an Endgeräten zur Verfügung stehen.
Mehr Probleme als Lösungen durch Digitalisierung?
Die Autoren einer von der Robert-Bosch-Stiftung und dem WWF Deutschland e. V. geförderten Studie kommen in ihrem Zwischenfazit zu dem Ergebnis, dass "die [in der Studie] beschriebenen Themen alles Gesichter der Digitalisierung sind, die eine Sache gemeinsam haben: Sie zuwiderlaufen zumindest zum aktuellen Zeitpunkt dem Grundsatz der Nachhaltigkeit. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Konsistenz, Effizienz und Suffizienz – werden bei den Themen Rohstoffgewinnung und Elektroschrott (E-Waste) besonders stark missachtet. Die Welt produziert aktuell pro Jahr über 60 Millionen Tonnen E-Waste. Dieser ist besonders gefährlich, da die Komponenten der Geräte teilweise aus giftigen und ätzenden Materialien bestehen. Der anfallende E-Waste wird von westlichen Ländern – teilweise illegal und daher absichtlich falsch deklariert – in Drittweltländer exportiert und vergiftet vor Ort Menschen und Umwelt. Die Existenz dieser Menge an Elektroschrott ist nur durch einen gänzlichen Mangel an Stoffkreisläufen und der häufig kurzen Nutzungsphase von elektrischen und elektronischen Geräten möglich. Und durch den kurzen Lebenszyklus – vor allem bei Smartphones – ist eine beträchtliche Nachfrage nach Rohstoffen vorhanden. Die resultierende Umweltverschmutzung durch E-Waste oder giftigen Schlammtümpeln durch die Gewinnung seltener Erden beeinflusst vor Ort aktuelle und folgende Generationen im höchsten Maße negativ" (Sühlmann-Faul & Rammler, 2018).
Die Digitalisierung ist nur dann eine Schlüsseltechnologie für eine nachhaltigere Wirtschaft, wenn sie mehr ökologische und soziale Herausforderungen löst, als neue schafft!
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Jeder Beitrag zu einem nachhaltigeren Wirtschaften ist wichtig. Effizientere Lösungen tragen ihren Anteil dazu bei, zumal sie sehr anschlussfähig sind. Die Umsetzung dieses Handlungsprinzips erfordert keine Anpassung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, ganz im Gegenteil: Effizienz – und dies gilt auch im Wesentlichen für Öko-Effizienz – sind willkommene Handlungsprinzipien zur Steigerung der Profitabilität von Unternehmungen und zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Viele Maßnahmen zielen deshalb darauf ab, das Leben der Menschen und der Mitarbeitenden in den Unternehmungen leichter, bequemer und sicherer zu machen. Die Umsetzung erfordert zudem weniger gravierende Verhaltensänderungen. Mit anderen Worten: Öko-Effizienz leistet einen endlichen Beitrag für ein nachhaltigeres Wirtschaften, ohne große Schmerzen bei den Beteiligten zu verursachen.
Achtung vor dem Rebound-Effekt
Dennoch gibt es einen Wehrmutstropfen, den sogenannten "Rebound-Effekt". Mit ihm werden in der Energieökonomie Effekte bezeichnet, die dazu führen, dass das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise verwirklicht wird. Die Effizienzsteigerung sorgt dafür, dass der Verbraucher weniger Ausgaben hat und deshalb weitere Produkte erwerben kann. Führt die Effizienzsteigerung gar zu erhöhtem Verbrauch (das heißt zu einem Rebound-Effekt von über 100 Prozent), spricht man von "Backfire". Der direkte Rebound-Effekt ist eine erhöhte Nachfrage nach dem gleichen Gut. Wer auf Grund von Effizienzsteigerungen Energie und damit Geld spart, kann das Geld für andere Waren und Dienstleistungen ausgeben, die ebenfalls Energie verbrauchen. Dadurch steigt die Nachfrage nach zusätzlichen Waren und Dienstleistungen, für deren Herstellung, Betrieb und Entsorgung ebenfalls Energie benötigt wird (= indirekter Rebound-Effekt). Was einer spart, verbraucht ein anderer. Dadurch wird insgesamt weniger Energie eingespart als durch die Effizienzsteigerung erreicht werden könnte. Dieser volkswirtschaftliche Rebound-Effekt beinhaltet sowohl direkte als auch indirekte Effekte. Hierzu einige Beispiele:
Öko-Effizienz durch Automatisierung
Das Handlungsprinzip Öko-Effizienz kommt immer dann an seine Grenzen, wenn der Aufwand für weitere Effizienzsteigerungen in einem immer schlechteren Verhältnis zu dem daraus resultierenden Mehrwert steht. Oder aber – wie oben beschrieben – durch Rebound-Effekte aufgezehrt werden. Die Grenzen der Effizienzpotenziale scheinen aber immer weiter verschoben werden zu können. Das McKinsey Global Institute hat 2017 ein Forschungsprogramm zu Automatisierungstechnologien und ihren möglichen Auswirkungen durchgeführt. Darin kommen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der heutigen Arbeitsaktivitäten bis 2055 automatisiert werden könnte. Die jüngsten Entwicklungen in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen begünstigen nach ihren Recherchen ein neues Automatisierungszeitalter. Roboter und Computer können nicht nur eine Reihe von routinemäßigen körperlichen Aktivitäten besser und billiger ausführen als Menschen, sondern sind auch zunehmend in der Lage, Aktivitäten auszuführen, die kognitive Fähigkeiten umfassen, die früher als zu schwierig für eine erfolgreiche Automatisierung angesehen wurden, z. B. stillschweigende Urteile zu fällen und Emotionen zu spüren oder sogar fahren. Die Automatisierung wird die täglichen Arbeitsaktivitäten aller verändern, von Bergleuten und Landschaftsgestaltern bis hin zu Geschäftsbankern, Modedesignern, Schweißern und CEOs" (McKinsey Global Institute, 2017).
Das Ergebnis dieser Studie ist mehr als kompatibel zu der Diskursströmung Nachhaltigkeit als Modernisierung. Aber wie schnell werden diese Automatisierungstechnologien am Arbeitsplatz Realität? Wie werden sich diese auf Beschäftigung, Ressourcenverbrauch, CO²-Emissionen und Wirtschaftswachstum auswirken? Welche alternativen Lösungsansätze stehen zur Verfügung? Wenn Nachhaltigkeit das handlungsleitende Prinzip in der strategischen Ausrichtung von Unternehmungen ist, dann müssen diese Fragen in dem Strategieentwicklungsprozess diskutiert und beantwortet werden.
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie, das 2021 bei Haufe erschienen ist.
Hier geht es zum Buch.
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