Veganuary - Handlungsfeld für Nachhaltigkeitsbeauftragte?
Wenn sich der Januar dem Ende zuneigt, sind die meisten Neujahrsvorsätze längst vergessen. Ein immer beliebterer Vorsatz: vegan ins neue Jahr zu starten - und vielleicht sogar dabei zu bleiben. Die gemeinnützige Organisation Veganuary unterstützt seit 2014 Menschen dabei, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen. Sie wendet sich aber auch an Unternehmen, Marken und die Gastronomie, um sie zu motivieren, ihr Angebot an pflanzlichen Produkten zu erweitern.
Nun könnte man sagen: Der Erfolg des Veganuary ist lediglich Ausdruck des grassierenden Selbstoptimierungswahns in der Gesellschaft. Geht es doch schließlich für viele Aspiranten der pflanzlichen Ernährung darum, gesünder, bewusster und – Achtung Buzzword-Alarm – nachhaltiger zu leben. Und dies auch gerne in sozialen Medien auszubreiten. Auf der anderen Seite muss man anerkennen, dass die Kampagne einen messbaren Einfluss hat: 2023 nahmen laut dem Meinungsforschungsinstitut YouGov neun Prozent der Erwachsenen in Deutschland den Veganuary zum Anlass, vegane Ernährung bewusst auszuprobieren
Leben lassen statt Leberwurst
„Dieses immense Interesse an pflanzlichen Lebensmitteln rührt von einem wachsenden Bewusstsein für den Impact unserer Ernährung – und sich entsprechend verändernden Ernährungsgewohnheiten“, sagt Christopher Hollmann, Leiter von Veganuary Deutschland. Rund die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich demnach als Flexitarier, Vegetarier oder Veganer, greift also vermehrt zu pflanzlichen Lebensmitteln. Der Trend zur pflanzlichen Ernährung geht auch an Unternehmen nicht spurlos vorbei. So hat etwa die Rügenwalder Mühle schon früh auf die „Veganisierung“ ihrer Produkte gesetzt. Heute macht das Unternehmen mit veganen Alternativen mehr Umsatz als mit tierischen Produkten.
Für Hollmann ist der Veganuary der perfekte Zeitpunkt im Jahr, um neue pflanzliche Produkte auf den Markt zu bringen oder auf das vegane Sortiment aufmerksam zu machen: „Mit Veganuary schaffen wir zum Jahresbeginn ein Momentum, an dem Millionen Menschen wegen der positiven Auswirkungen auf Menschen, Klima und Tiere teilhaben.“
Der Veganuary als Thema für Nachhaltigkeitsbeauftragte?
Die Kantine ist in vielen Unternehmen ein heiliger Ort. Wer hier etwas verändern will, braucht mitunter starke Nerven. Und doch können und sollten Nachhaltigkeitsverantwortliche, sagt Hollmann, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine klima- und umweltfreundlichere Ernährung sensibilisieren. Mit der „Veganuary Workplace Challenge“ bietet seine Organisation dafür Unterstützung und einen gemeinschaftlichen Aktionsrahmen. Im Jahr 2024 beteiligten sich mehr als 80 Unternehmen an dem Format, darunter ProSiebenSat.1, Commerzbank, Rossmann, Edeka und Bundesliga-Spitzenreiter Bayer 04 Leverkusen.
Als Beispiele für Aktionen, mit denen Nachhaltigkeitsmanager undogmatisch über vegane Ernährung informieren können, nennt Hollmann unter anderem Kochworkshops und -seminare, Filmabende, den Austausch von Rezepten über unternehmensinterne Kanäle, Gewinnspiele, Aushänge und Plakate, Stempelkarten sowie Vorträge mit Expertinnen und Experten. Besonders erfolgreich seien veganisierte Klassiker in Betriebsrestaurants und Kantinen. Denn beim Probieren bleibe man erst einmal beim Gewohnten. „Und da die vegane Variante lecker ist – warum dann nicht auf Pflanzen setzen und die klima- und tierfreundliche Wahl treffen?“, so Hollmann.
Breite Unterstützung von Kantinenbetreibern für den Veganuary
Durch die Teilnahme einiger großer Catering-Unternehmen erreichte der Veganuary in diesem Jahr Millionen Menschen am Arbeitsplatz. So hat der Großcaterer Dussmann in 60 Betriebsrestaurants klassische Kantinengerichte veganisiert und dabei auf Fleisch- und Fischalternativen von prominenten Start-ups zurückgegriffen. International erreicht Dussmann im Veganuary nach eigenen Angaben täglich 16 Millionen Menschen mit veganen Gerichten.
Der Betriebsgastronom und Stadioncaterer Aramark servierte an rund 500 Standorten mehr als 50 vegane Gerichte. Gemeinsam mit der Berliner Spitzenköchin Josita Hartanto („Lucky Leek“) entwickelte das Unternehmen neue Rezepte, die im Januar in den Betriebsrestaurants und Kantinen probiert werden konnten.
Die SV Group bewirtet wöchentlich rund 500.000 Gäste in ihren 500 Restaurants in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Veganuary gab es 44 verschiedene vegane Gerichte, 25 davon wurden neu entwickelt - mit einem Schwerpunkt auf Gemüse. Innovationsmanager Nils Osborn sagt dazu: „Mit innovativen Geschmackskombinationen und neuen Zubereitungsmethoden zeigen wir so, wie geschmackvoll Gemüse sein kann.“
Unternehmen haben keinen Erziehungsauftrag
Letztlich stellt sich die Frage: Haben Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsbeauftragte überhaupt das Mandat, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer veganen Ernährung zu überzeugen? Schließlich sind ihre Mitarbeitenden keine Kinder, die es zu erziehen gilt, sondern erwachsene Menschen. Jede Einmischung in die Privatsphäre der Mitarbeitenden kann daher als Übergriff empfunden werden. Bei der Verpflegung im Betrieb sollten Unternehmen dennoch unbedingt tier-, umwelt- und klimafreundlichere Alternativen anbieten. Dies sollte jedoch immer als Angebot und nicht als Mission verstanden werden.
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