Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Kosten. Kostenerstattung. Streitgenossen. Gemeinsamer Prozessbevollmächtigter
Leitsatz (redaktionell)
Notwendige Kosten von Streitgenossen mit nur einem gemeisamen Prozessbevollmächtigten sind grundsätzlich nur die tatsächlich angefallenen, der wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Kosten des gemeinsamen Anwalts.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des OLG Hamburg, 8. Zivilsenat, v. 16.1.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.012,87 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hatte gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben; die Beklagten waren durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten.
Das LG hat die Beklagte zu 1) antragsgemäß verurteilt und weiter u. a. ausgesprochen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat es abgewiesen und weiter ausgesprochen, dass deren außergerichtlichen Kosten die Klägerin trage.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die von der Klägerin der Beklagten zu 2) zu erstattenden Kosten auf 3.962 DM festgesetzt. Dabei hat es die außergerichtlichen Kosten in der Höhe zu Grunde gelegt, die bei der Beklagten zu 2) angefallen wären, wenn sie einen eigenen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätte.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihre Auffassung weiter, an außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) sei nur der Betrag anzusetzen, den diese tatsächlich und notwendigerweise aufgebracht habe. Die Beklagte zu 2) beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Bei der gegebenen Sachlage könne der obsiegende Streitgenosse gegenüber der Klägerin in vollem Umfang diejenigen Kosten geltend machen, die er seinen Prozessbevollmächtigten zu zahlen hätte, wenn diese allein für ihn tätig geworden wären. Das beruhe auf der Erwägung, dass die von den Streitgenossen durch die Bestellung gemeinsamer Prozessbevollmächtigter erzielte Kostenersparnis billigerweise ihnen und nicht dem Prozessgegner zugute kommen müsse. Für die Klägerin bedeute dies keine unangemessene Härte, denn sie habe im Ergebnis keine höheren Kosten zu erstatten, als wenn die Beklagten - was sie nicht hätte verhindern können - jeweils eigene Prozessbevollmächtigte beauftragt hätten. Eine Bereicherung der Beklagten zu 2) werde nicht bewirkt, wohl aber eine Entlastung der Beklagten zu 1). Das erscheine gerechtfertigt und auch prozessökonomisch; es erspare, im Kostenfestsetzungsverfahren noch nach der tatsächlichen Kostentragung zu forschen und den Gründen dafür nachzugehen.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Als notwendige Kosten, die einer Partei erwachsen sind und auf deren Erstattung sie nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO Anspruch hat, können bei Streitgenossen mit nur einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich nur die tatsächlich angefallenen, der wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Kosten des gemeinsamen Anwalts festgesetzt werden.
1. Die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage ist umstritten. Das Beschwerdegericht hat seine, von ihm in ständiger Rechtsprechung vertretene Meinung (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1991, 108) auch auf eine zeitlich weit zurückliegende Entscheidung des beschließenden Senats (BGH, Beschl. v. 12.2.1954 - I ZR 106/51, JurBüro 1969, 941 m. abl. Anm. von Schneider; vgl. auch OLG Bamberg JurBüro 1988, 1182; JurBüro 1988, 1689; OLG Oldenburg JurBüro 1988, 484) gestützt. An dieser Auffassung hält der Senat, wie er bereits auf eine Anfrage des VIII. Zivilsenats des BGH erklärt hat, nicht mehr fest (BGH, Beschl. v. 30.4.2003 - VIII ZB 100/02).
2. Ausgehend von der Kostengrundentscheidung, die bei in unterschiedlichem Umfang obsiegenden und unterliegenden Streitgenossen nach ständiger Praxis von der Baumbachschen Formel bestimmt wird, darf ein Unterlaufen dieser Grundentscheidung dadurch, dass der obsiegende Streitgenosse die vollen Kosten bei seinem Gegner liquidiert, nicht Platz greifen. Die Bestimmung des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO geht von der Notwendigkeit der erstattungsfähigen Kosten aus, so dass es darauf ankommt, ob der Streitgenosse auf Dauer in seinem Vermögen belastet wird. Dieses Verständnis der Vorschrift vermeidet auch das unbillige Ergebnis, dass ein Streitgenosse entgegen der Kostengrundentscheidung die vollen Anwaltskosten der Streitgenossen tragen muss. Der Senat tritt demnach der in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und dem Schrifttum weit überwiegend vertretenen Auffassung bei, dass für den obsiegenden Streitgenossen nur die ihm tatsächlich erwachsenen Anwaltskosten erstattungsfähig sind.
Im Übrigen ist das Kostenrecht von dem Grundsatz beherrscht, dass keinesfalls höhere Kosten festgesetzt werden dürfen, als dem Berechtigten tatsächlich entstanden sind (BverfG v. 3.11.1982 - 1 BvR 710/82, BVerfGE 62, 189 [192 f.] = MDR 1983, 373). Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn die Beklagte zu 2 den Ersatz von Kosten erhielte, die sie ihrem Prozessbevollmächtigten gar nicht schuldet. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2) einen vollen Ersatzanspruch hätte, wenn sie - was die Klägerin auch nicht hätte verhindern können - einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellt hätte. Notwendige Kosten i. S. v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO können nur aufgewendete Kosten, nicht aber Kosten sein, die eine Partei hätte aufwenden können (BGH, Beschl. v. 30.4.2003 - VIII ZB 100/02).
IV. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
BGHR 2003, 1252 |
FamRZ 2003, 1461 |
NJW-RR 2003, 1507 |
JurBüro 2004, 199 |
KammerForum 2004, 57 |