Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 07.06.2001) |
AG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 01.06.1999) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 10. Zivilsenats – Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2001 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Oldenburg vom 1. Juni 1999 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 75.240,90 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Januar 1999 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin und ihr 1996 aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Ehemann pachteten mit Vertrag vom 14. Dezember 1972 von dem Beklagten dessen Hof „Sch.”. Nach Vertragsablauf vereinbarten sie mit Vertrag vom 8. August 1985 ein Anschlußpachtverhältnis für die Dauer vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1997.
Die Pächter betrieben auf dem Hof sowie auf eigenen und anderweit hinzugepachteten Flächen Milchwirtschaft. Für den Gesamtbetrieb war seit April 1987 eine Quote von 132.309 kg zugeteilt. Mit schriftlichem Zusatzvertrag vom 14. August 1985 trafen die Pächter mit dem Beklagten u.a. folgende Regelung:
„Auf diesem Hof und den weiter dazugepachteten Flächen erwirtschaftete der Pächter die ihm zugeteilte Milchquote von … kg. Sollte sich bis zum Ablauf des Pachtvertrages im Jahre 1997 die MGVO BGBl I 1984 S. 1434 dahingehend ändern, daß das Bewirtschafterprinzip angewendet werden kann, so bin ich, H. M., bereit, Herrn E. B. beim Abzug vom Hof die Mitnahme von 100.000 kg ohne irgendwelche Auflagen zu bewilligen.”
Dazu behauptet die Klägerin, man sei sich darüber einig gewesen, daß ihr und ihrem Mann als Pächtern der wirtschaftliche Vorteil aus dem Aufbau der Milchquote zustehen sollte. Der Quotenübergang sei in der Zusatzvereinbarung vereinbart worden, weil die Vertragsparteien davon ausgegangen seien, daß in naher Zukunft die Flächenbindung der Quote zugunsten des Bewirtschafterprinzips aufgegeben werde.
Nach Beendigung des Pachtvertrages wurde der Klägerin entsprechend der Flächenaufteilung eine Milchquote von 40.303 kg bescheinigt, die sie wegen Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit verkaufte. Dem Beklagten wurde mit Bescheid vom 12. November 1997 ein Referenzmengenübergang von 91.974 kg bestätigt. Hieraus leitet die Klägerin einen Schadenersatzanspruch von 1,60 DM/kg ab, den sie mit der Klage verfolgt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als Beschwerde behandelt und in der Sache zum Nachteil der Klägerin entschieden, weil der geltend gemachte Anspruch gemäß § 551b BGB verjährt sei. Der Senat hat durch Urteil vom 22. November 2000 (LwZR 12/00, RdL 2001, 81) den Rechtsstreit in das streitige Verfahren zurückgeführt, die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt ist.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre erneute Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts soll der Beklagte aus der Vereinbarung vom 14. August 1985 zur Übertragung der Milchquote nicht nur dann verpflichtet gewesen sein, wenn in Umkehrung der bis dahin bestehenden Rechtslage das Bewirtschafterprinzip eingeführt wurde, sondern auch bereits dann, wenn bei Pachtende eine flächenungebundene Übertragung rechtlich möglich war. Letzteres sei nach § 7 Abs. 2a Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25. März 1994 (BGBl. I S. 587) grundsätzlich der Fall gewesen. Gleichwohl sei der Übertragungsanspruch nicht entstanden, weil die Klägerin mit dem Ablauf des Pachtverhältnisses ihre Tätigkeit in der Landwirtschaft aufgegeben und keine Milchwirtschaft mehr betrieben habe. Durch die am 1. April 2000 in Kraft getretene Zusatzabgabenverordnung vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) sei die Übertragbarkeit der Milchquote insgesamt entfallen. Wertersatz könne die Klägerin nicht verlangen.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Allerdings legt das Berufungsgericht die Vereinbarung vom 14. August 1985 zutreffend dahin aus, daß der Anspruch auf Übertragung der Milchquote grundsätzlich bereits dann begründet war, wenn ihre flächenungebundene Übertragung bei Beendigung des Pachtverhältnisses zulässig war. Richtig ist auch, daß diese Voraussetzung der Übertragungspflicht vorlag (§ 7 Abs. 2a MGV).
2. Ebenfalls zu Recht bejaht das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin. Seine dahingehende Auslegung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Rechtlich nicht haltbar ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne die Übertragung der Milchquote nicht verlangen, weil sie mit Beendigung des Pachtverhältnisses die Milchwirtschaft aufgegeben habe. Wenn auch die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung vom Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599), erstreckt sich die Nachprüfung jedenfalls darauf, ob alle Auslegungsmöglichkeiten in Betracht gezogen worden sind (BGH, Urt. v. 19. September 1995, VI ZR 226/94, VersR 1996, 380). Insoweit rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht eine naheliegende Auslegung der Vereinbarung nicht bedacht hat. Es hat nämlich ausschließlich die Frage der Übertragbarkeit der Milchquote auf die Klägerin geprüft und dabei zutreffend erkannt, daß die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 und 2 MGV nicht vorlagen; aber es hat nicht die Möglichkeit der Auslegung der Vereinbarung dahin erkannt, daß die Klägerin die Übertragung der Milchquote auf einen anderen Milcherzeuger verlangen konnte. Diese Auslegung kann der Senat jetzt nachholen, denn weitere tatsächliche Feststellungen sind dafür nicht zu erwarten und auch nicht erforderlich.
Der Beklagte hat sich in der Vereinbarung vom 14. August 1985 verpflichtet, „beim Abzug vom Hof” die Mitnahme einer Milchquote von 100.000 kg zu bewilligen. Nun war aber bereits bei Abschluß dieser Vereinbarung aufgrund des Alters der Klägerin und ihres Ehemannes absehbar, daß beide spätestens nach Beendigung des Pachtverhältnisses die Landwirtschaft aufgeben würden. Damit kam eine „Mitnahme” der Milchquote in dem Sinne, daß die Klägerin und ihr Ehemann weiter Milch erzeugen würden, ohnehin nicht in Betracht. Das gilt unabhängig davon, ob das Entstehen des Übertragungsanspruchs von der Einführung eines „Bewirtschafterprinzips”, wie es die Vertragsparteien erwartet hatten, oder von der Möglichkeit einer flächenungebundenen Übertragung abhängig sein sollte. Unter Beachtung des Gebots der interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 1999, V ZR 168/98, WM 1999, 2513, 2514; Senatsurt. v. 16. Juni 2000, LwZR 13/99, WM 2000, 1764) kann der wirtschaftliche Sinn der Vereinbarung deswegen nur darin liegen, daß der Klägerin und ihrem Ehemann die Möglichkeit eröffnet werden sollte, die von ihnen erarbeitete Milchquote durch Übertragung an Dritte zu verwerten. Demgegenüber führt die Auffassung des Berufungsgerichts dazu, daß der Beklagte, der keine Landwirtschaft betreibt, die Milchquote verwerten kann, obwohl er sie nicht erwirtschaftet hat. Das läßt das Interesse der Klägerin und ihres Ehemannes, wie es in der Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist, in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise außer acht.
Nach alledem ergibt die Auslegung der Vereinbarung, daß die Klägerin die von dem Beklagten zu übertragende Milchquote verkaufen und von ihm deren Übertragung unmittelbar an den Käufer verlangen konnte.
4. Da die Möglichkeit der flächenungebundenen Übertragung der Milchquote seit dem 1. April 2000 nicht mehr besteht (§ 30 ZusatzabgabenVO), hat der Beklagte der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB a.F. Schadenersatz zu leisten. Dessen Höhe bemißt sich nach dem Preis, den die Klägerin für den Verkauf der Quote erzielt hätte.
a) Der Beklagte mußte eine Quote von 91.974 kg übertragen. Sein Einwand, nach der Vereinbarung habe die Klägerin lediglich einen Anspruch auf eine Gesamtquote von 100.000 kg, von der sie 40.303 kg bereits erhalten habe, ist nicht begründet. Die Übertragungspflicht des Beklagten kann sich nur auf die Referenzmenge beziehen, die bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf ihn übergegangen ist. Die auf das Eigenland der Klägerin und ihres Ehemannes entfallende Menge konnte gar nicht auf den Beklagten übergehen, sondern verblieb bei ihnen. Diesen Anteil konnte der Beklagte somit von vornherein nicht auf die Klägerin übertragen. Er ist deswegen nicht von der Quote abzuziehen.
b) Die Menge wird auch nicht etwa dadurch reduziert, daß die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. März 1999 vorgetragen hat, daß „restliche 32.500 kg” dem Beklagten verbleiben sollten. Mag es sich dabei auch um ein gerichtliches Geständnis handeln, an das die Klägerin nach § 532 ZPO a.F. gebunden wäre. Entscheidend ist jedoch, daß der Beklagte nicht behauptet hat, daß ihm von der Quote, die auf seine an die Klägerin und ihren Ehemann verpachteten Flächen entfiel, auf jeden Fall ein Teil von 32.500 kg verbleiben sollte; vielmehr sollte das nur dann gelten, wenn diese Quote 132.500 kg betrug. Allenfalls das hat die Klägerin zugestanden. Da die auf die Flächen des Beklagten entfallende Quote bei Beendigung des Pachtverhältnisses jedoch nur 91.974 kg betrug, gibt es gar keine „restlichen 32.500 kg”, die bei dem Beklagten verbleiben könnten.
c) Als von der Klägerin zu erzielender Verkaufspreis sind 1,60 DM/kg anzusetzen. Diesen Betrag hat der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten. Da er die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung mit einem Betrag von 64.484,80 DM in der Berufungsinstanz auch nicht aufrechterhalten hat, ist die Klageforderung in voller Höhe begründet.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 744980 |
BGHR 2002, 744 |