Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugenehmigungsgebühr. Befreiung. – von den Festsetzungen eines Bebauungsplans. Wert des Nutzens der Befreiung. Geschossfläche. Nicht-Vollgeschoss. Aufenthaltsräume. Dachschrägen. Außenmaße. Vollwärmeschutz
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung der Geschossfläche von Aufenthaltsräumen in Nicht-Vollgeschossen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 ist § 44 II. BV nicht entsprechend anzuwenden.
Ein an den Außenwänden eines Gebäudes angebrachter Vollwärmeschutz ist bei der Ermittlung der Geschossfläche nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1968 mitzurechnen.
Zur Revisibilität von Bundesrecht bei Anwendung von Landeskostenrecht.
Normenkette
BauNVO 1968 § 20 Abs. 2; Zweite Berechnungsverordnung § 44
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 2 B 02.2691) |
VG München (Entscheidung vom 23.09.2002; Aktenzeichen M 8 K 01.2548) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Baugenehmigungsgebühr.
Die Klägerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 3. Februar 1999 die Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage, bestehend aus 23 Häusern mit insgesamt 199 Wohneinheiten, und einer Tiefgarage mit 211 Stellplätzen. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des am 19. April 1973 bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. 663, der für das Plangebiet u.a. eine Geschossflächenzahl von 0,75 festsetzt. Von dieser Festsetzung ist die Beigeladene durch die Baugenehmigung befreit. Für die Erteilung der Genehmigung stellte die Klägerin der Beigeladenen einen Betrag über 405 329 DM zuzüglich Auslagen in Höhe von 127 DM in Rechnung.
Die Beigeladene legte gegen die Gebührenforderung Widerspruch ein. Im Vorlagebericht an die Widerspruchsbehörde korrigierte die Klägerin ihre Gebührenforderung auf 366 825 DM zuzüglich Auslagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2001 reduzierte die Regierung von Oberbayern die Gebühr auf 276 659,84 DM zuzüglich Auslagen. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Klägerin blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof attestierte der Regierung von Oberbayern, die Bescheidgebühr zutreffend gekürzt zu haben. Zu Unrecht verlange die Klägerin für den bauordnungsrechtlichen Teil der Baugenehmigung eine Gebühr in Höhe von 3/1000 der Gesamtbaukosten. Ihr stehe nur eine Gebühr in Höhe von 2/1000 der Kosten für den Bau der Tiefgarage und in Höhe von 1/1000 der auf die Wohngebäude entfallenden Baukosten zu. Bei der Berechnung des Nutzens der Befreiung wegen der Überschreitung der nach dem Bebauungsplan zulässigen Geschossfläche seien der Klägerin zwei Rechtsfehler unterlaufen. Für die Berechnung des Nutzens der Befreiung wegen der Überschreitung der zulässigen Geschossfläche durch den Ausbau der Dachgeschosse – die keine Vollgeschosse seien – sei § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 (jetzt § 20 Abs. 3 BauNVO) maßgebend. Danach seien die Flächen von im Dachgeschoss zugelassenen Aufenthaltsräumen einschließlich der zu ihnen führenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände bei der Ermittlung der Geschossfläche mitzurechnen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei bei Räumen mit geneigten Wänden und/oder Decken jedoch nicht die Gesamtgrundfläche der Aufenthaltsräume zu berücksichtigen. Es sei nicht gerechtfertigt, auch den unter der Dachschräge liegenden Raum voll einzubeziehen; denn dieser sei zum Wohnen nicht voll nutzbar. Vielmehr sei auf § 44 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) zurückzugreifen, wonach die Grundflächen von Räumen und Raumteilen mit einer lichten Höhe von mindestens 2 m voll, die Grundflächen von Räumen und Raumteilen mit einer lichten Höhe von 1 m und weniger als 2 m zur Hälfte und die Grundflächen von Räumen und Raumteilen von weniger als 1 m lichter Höhe gar nicht anzurechnen seien. Die Widerspruchsbehörde habe daher zu Recht die für die Überschreitung der Geschossflächenzahl sich im Dachgeschoss ergebende Geschossflächenmehrung um 527,77 m(2) (richtig: 525,77 m(2)) und entsprechend auch die Befreiungsgebühr reduziert. Die sich durch die Anbringung des Vollwärmeschutzes von 8 cm Stärke ergebende Überschreitung der zulässigen Geschossfläche um 260,01 m(2) sei entgegen der Praxis der Klägerin ebenfalls nicht als bei der Gebührenberechnung zu berücksichtigende Geschossflächenmehrung zu werten. Die Geschossfläche sei gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1968 (nunmehr § 20 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Maßgeblich seien dabei die Rohbaumaße; ein Außenputz üblicher Stärke oder einfache Wandverkleidungen seien im Gegensatz zu wesentlich dickeren Verkleidungen und Wandkonstruktionen nicht mitzurechnen. Im Hinblick auf die auch im öffentlichen Interesse liegende Zweckbestimmung der Wärmeschutzverkleidung und die gesteigerten Anforderungen an die Wärmedämmung von Gebäuden sei die hier zu beurteilende Dämmschicht von 8 cm noch als Wandverkleidung geringer Stärke einzuordnen, die nicht zu einer für die Gebührenbemessung ins Gewicht fallenden Nutzungsmehrung führe. Die Regierung von Oberbayern habe daher auch insoweit die Befreiungsgebühr zu Recht gekürzt.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2005 hat der Senat die Revision zugelassen, soweit sich das Berufungsurteil zu den Gebühren für die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans verhält. Mit ihrer fristgerecht vorgelegten Revisionsbegründung rügt die Klägerin eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 20 Abs. 2 BauNVO 1968. Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet, weil das Berufungsurteil nicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Aus revisionsrechtlicher Sicht ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 21. April 2001 als rechtmäßig bestätigt hat.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der in der Revisionsinstanz allein umstrittenen Befreiungsgebühr ist die Tarif-Nr. 2.I.1 Tarifstelle 1.31 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Bayerischen Kostengesetz (Kostenverzeichnis – KVz). Danach beträgt die Gebühr für die Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB 10 v.H. des Werts des Nutzens, der durch die Befreiung in Aussicht steht, mindestens 25 €.
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Berechnung des Nutzens der Befreiung wegen der Überschreitung der zulässigen Geschossfläche durch den Ausbau der Dachgeschosse § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 als maßgebend angesehen. Die Geschossfläche der Aufenthaltsräume mit geneigten Decken und/oder Außenwänden hat er in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 1 II. BV ermittelt. Eine an die Gebäudeaußenwände angebrachte 8 cm starke Wärmedämmung hat er bei der Geschossflächenberechnung außer Ansatz gelassen. Käme § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 aufgrund eines Anwendungsbefehls des Bundesgesetzgebers zur Anwendung, wäre die vorgenommene Geschossflächenberechnung mit Bundesrecht nicht vereinbar.
1.1 Geht es, wie hier, um die Befreiung von der Festsetzung einer Geschossflächenzahl in einem 1973 in Kraft getretenen Bebauungsplan, ist die Berechnung der Geschossfläche in Dachgeschossen, die keine Vollgeschosse sind, nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 vorzunehmen. Hiernach sind bei der Ermittlung der Geschossfläche die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen als den in Satz 1 genannten, also in Nicht-Vollgeschossen, einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände mitzurechnen. Das Berufungsgericht meint, bei Räumen mit geneigten Wänden und/oder Decken sei nicht die Gesamtgrundfläche der Aufenthaltsräume zu berücksichtigen. Vielmehr seien unter Rückgriff auf § 44 Abs. 1 II. BV die Grundflächen von Räumen und Raumteilen mit einer lichten Höhe zwischen 1 und 2 m nur zur Hälfte und die Grundflächen von Räumen und Raumteilen von weniger als 1 m lichter Höhe gar nicht anzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet insoweit nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – zwischen der Anwendung der BauNVO im Rahmen des Bauplanungsrechts und ihrer Heranziehung im Rahmen des Landeskostenrechts. Soweit es um die bauplanungsrechtliche Frage geht, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die Geschossfläche eines Vorhabens die im Bebauungsplan zugelassene Geschossfläche überschreitet, teilt der Senat nicht die in der Rechtsprechung anderer Obergerichte und im Schrifttum verbreitet vertretene Ansicht (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 13. August 1986 – 8 S 3072/85 – n.V.; VGH Kassel, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 4 TG 3269/97 – ESVGH 48 Nr. 64; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 20 Rn. 25; Knaup/Stange, BauNVO, 8. Aufl., § 20 Rn. 28; Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, § 20 BauNVO, Rn. 28; Schenk, VBlBW 1986, 406 ≪412 ff.≫), dass § 44 Abs. 1 II. BV bei der Berechnung der Geschossfläche von Geschossen mit geneigten Decken und/oder Außenwänden entsprechend anwendbar ist.
Der Verordnungsgeber hat zwischen Vollgeschossen und Nicht-Vollgeschossen insoweit unterschieden, als er angeordnet hat, dass in Vollgeschossen die gesamte überbaute Fläche eines Stockwerks die Geschossfläche ausmacht, während in Nicht-Vollgeschossen nur die Flächen von Aufenthaltsräumen – also nicht die Flächen von Nebenräumen wie Flure, Bade- und Toilettenräume, Abstellräume und Speisekammern – einschließlich der zu ihnen führenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände mitzurechnen sind. Damit hat es sein Bewenden. Es beruht nicht auf einem Versehen, sondern ist eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers, dass er auf eine Sonderregelung für Aufenthaltsräume mit geneigten Decken und/oder Außenwänden, die dem Wohnen dienen, verzichtet hat, obwohl die Flächen unter den Schrägen zum Wohnen nicht voll nutzbar sind. Den im Schrifttum wohl erstmals im Jahr 1969 geäußerten Gedanken, bei der Ermittlung der Geschossfläche von Aufenthaltsräumen mit schräger Wand oder Decke auf § 44 II. BV zurückzugreifen (Fickert/Fieseler, BauNVO, Ausgabe 1969, § 20, Tz 273), hat er weder bei der Novellierung der BauNVO im Jahre 1977 noch bei der Neufassung im Jahre 1986 aufgegriffen. Die durch § 20 Abs. 3 BauNVO 1990 erfolgte Änderung des Mitrechnungsgebots in ein Mitrechnungsverbot mit der Ermächtigung zu modifizierenden Festsetzungen im Bebauungsplan sollte den Dachgeschossausbau aus wohnungsbaupolitischen Gründen erleichtern und hat mit der hier in Rede stehenden Thematik nichts zu tun. Es gilt zu akzeptieren, dass der Verordnungsgeber in § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 einen teilweise vereinfachenden Berechnungsansatz gewählt hat, der keinen weiteren Differenzierungen zugänglich ist (so auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 20 BauNVO, Rn. 36).
Es lässt sich außerdem nicht feststellen, dass der Verordnungsgeber ein etwaiges Regelungsdefizit in § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 durch eine dem § 44 Abs. 1 II. BV (vom 17. Oktober 1957 ≪BGBl I S. 1719≫) entsprechende Bestimmung ausgeglichen hätte. Abgesehen davon, dass die II. BV keinen städtebaulichen Zwecken dient, sondern mit ihren Regelungen zum öffentlich geförderten sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau ein gesellschafts- und sozialpolitisches Ziel verfolgt, liegt ihr in den §§ 42 bis 44, die sich mit der Wohnflächenberechnung befassen, ein anderes Konzept zugrunde als der Regelung in § 20 BauNVO 1968. Dies zeigt sich an einer Reihe von Unterschieden. So fehlt beispielsweise in § 20 BauNVO 1968 eine dem § 43 Abs. 4 Nr. 1 II. BV entsprechende Regelung, wonach von den Wohnflächen die Grundflächen von Schornsteinen und anderen Mauervorlagen, freistehenden Pfeilern und Säulen abzuziehen sind, wenn sie in der ganzen Raumhöhe durchgehen und ihre Grundfläche mehr als 0,1 m(2) beträgt. Abzuziehen sind nach § 44 Abs. 4 Satz 2 II. BV ferner die Grundflächen von Treppen mit über drei Steigungen und deren Treppenabsätze. Dagegen sind nach § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 die Flächen von Treppenräumen in Vollgeschossen stets und in Nicht-Vollgeschossen dann mitzurechnen, wenn sie zu den Aufenthaltsräumen gehören. Andererseits erlaubt § 44 Abs. 2 II. BV, Balkone, Loggien, Dachgärten oder gedeckte Freisitze bis zur Hälfte auf die Wohnfläche anzurechen, während nach § 20 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO 1968 Balkone, Loggien und Terrassen bei der Ermittlung der Geschossfläche unberücksichtigt bleiben. Die Prognose, der Verordnungsgeber hätte bei unterstellter Ergänzungsbedürftigkeit der BauNVO 1968 aus dem andersartigen Regelungssystem der II. BV mit § 44 Abs. 1 ein einzelnes Element herausgelöst und in § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 eingefügt, erscheint dem Senat nicht möglich.
1.2 Ob und in welchem Umfang ein an den Außenwänden angebrachter Vollwärmeschutz bei der Ermittlung der Geschossfläche mitzurechen ist, beurteilt sich nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1968, der anordnet, dass die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln ist. Das Berufungsgericht stellt auf die Rohbaumaße ab. Eine Begründung dafür bleibt es schuldig. Auch im Schrifttum findet sich nicht mehr als die bloße Behauptung, dass für die Geschossfläche die Rohbaumaße maßgebend und Außenputz sowie dünne Wandverkleidungen im Gegensatz zu wesentlich dickeren Verkleidungen und Wandkonstruktionen nicht mitzurechnen seien (Fickert/Fieseler, a.a.O. § 20 Rn. 19; Stock, a.a.O. § 20 BauNVO, Rn. 29; Ziegler, a.a.O. § 20 BauNVO, Rn. 22; Knaup/Stange, a.a.O. § 20 Rn. 24). Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Mitrechnung eines außen angebrachten Vollwärmeschutzes angezeigt. Die Verkehrsanschauung bezeichnet Bauteile, die sich vor der eigentlichen Gebäudekonstruktion befinden und die der Witterung ausgesetzte Gebäudehülle bilden, als Fassade und zählt Fassaden zu den Gebäudebestandteilen. Dazu gehört auch eine wärmegedämmte Vorhangfassade. Ihre Außenkante ist Bezugspunkt des Außenmaßes.
Das entspricht auch Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1968. Die Geschossflächenzahl ist wie die Baumassenzahl (s. § 21 BauNVO 1968) das entscheidende Kriterium der städtebaulichen Dichte (Fickert/Fieseler, a.a.O. § 16 Rn. 25). Über sie wird der Freiflächenanteil je Einwohner als ein für die städtebauliche Hygiene wichtiges Maß gesteuert (BRDrucks 354/89 S. 37; Gerberding-Wiese, Dichtewerte und Freiflächenzahl im Städtebau, Diss. Aachen 1968, S. 54). Stellt § 20 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1968 deshalb auf die Außenmaße des Gebäudes ab, ist auch der Vollwärmeschutz, der das Wohnen innerhalb des Gebäudes ermöglicht und inzwischen nach der Energieeinsparverordnung (i.d.F. vom 2. Dezember 2004 ≪BGBl I S. 3146≫) vorgeschrieben ist, mitzurechnen, beschneidet er doch wie das Mauerwerk selbst die Freifläche.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 nicht aufgrund eines Anwendungsbefehls des Bundesgesetzgebers angewandt, sondern als Bestandteil des nicht revisiblen Kostenrechts. Aus diesem Grund ist seine Berechnung der Geschossfläche ungeachtet des fehlerhaften Verständnisses dieser Vorschrift bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Tarifstelle 1.31 des Kostenverzeichnisses dahin ausgelegt, dass die im Wege der Befreiung zugelassene Geschossflächenüberschreitung für den Wert des Nutzens der Befreiung und damit für die Höhe der Gebühr maßgebend sei. Wird eine Vorschrift des Bundesrechts – wie hier § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 – auf der Grundlage des Landesrechts herangezogen, um das Landesrecht zu ergänzen, wird die Vorschrift zum Bestandteil des Landesrechts; ihre Auslegung und Anwendung sind damit der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 1969 – BVerwG 7 C 20.67 – BVerwGE 32, 252 ≪254≫, vom 8. Februar 1974 – BVerwG 7 C 16.71 – BVerwGE 44, 351 ≪354≫, vom 27. Februar 1976 – BVerwG 7 C 44.74 – BVerwGE 50, 255 ≪262≫ und vom 14. Dezember 1978 – BVerwG 5 C 1.78 – BVerwGE 57, 204 ≪206 f.≫). Bundesrechtliche Normen, auf die das Landesrecht Bezug nimmt, behalten ihre Eigenschaft als revisibles Recht, wenn der Landesgesetzgeber die bundesrechtliche Regelung als vorgegeben hinnimmt, ihren Anwendungsbereich auch nicht etwa erweitert, sondern an die bundesrechtliche Regelung lediglich anknüpft (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 – BVerwG 5 C 73.74 – BVerwGE 51, 268 ≪273 ff.≫ und vom 12. April 1984 – BVerwG 5 C 95.80 – BVerwGE 69, 146 ≪148 f.). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Tarifstelle 1.31 macht zwar die bundesrechtlich geregelte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zum “Gegenstand” der Gebühr (vgl. die Überschrift der zweiten Spalte des Kostenverzeichnisses). Darin liegt jedoch, wenn es um die Befreiung von den Feststetzungen zur Geschossfläche geht, keine Anknüpfung an die Vorschriften der BauNVO über die Berechnung der Geschossfläche; Gegenstand der Gebühr ist die bereits erteilte Befreiung. Die Baugenehmigungsbehörde kann sich darauf beschränken, die Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Geschossfläche so zuzulassen, wie sie sich aus den Bauvorlagen ergibt. Das Bundesrecht verlangt nicht, bei Erteilung der Befreiung das Ausmaß der zugelassenen Geschossflächenüberschreitung zu quantifizieren.
Der Senat hat die revisionsgerichtliche Prüfungsbefugnis gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO freilich auch dann für sich in Anspruch genommen, wenn sich das Berufungsgericht zu einer Auslegung eines landesrechtlichen Begriffs durch Bundesrecht verpflichtet gefühlt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 – BVerwG 4 C 5.87 – BVerwGE 89, 69 ≪74≫). Von einer solchen Fallgestaltung ist er in seinem Zulassungsbeschluss ausgegangen. Hieran hält er nicht fest. In welcher Weise § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 für die Berechnung des Nutzens der Befreiung “maßgebend” sein soll, geht aus dem Berufungsurteil nicht eindeutig hervor. Gegen die Annahme, der Verwaltungsgerichtshof sei von einer zwingenden bundesrechtlichen Vorgabe für die Auslegung des Landeskostenrechts ausgegangen, spricht, dass der bundesrechtlichen Regelung der Berechnung der Geschossfläche in § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 nicht zu entnehmen ist, wie der Wert des Nutzens einer Überschreitung der nach dem Bebauungsplan zulässigen Geschossfläche zu bestimmen ist. Näher liegt deshalb, dass die Vorinstanz § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 für “maßgebend” gehalten hat, weil sie in Auslegung des Landeskostenrechts einen Zusammenhang zwischen dem metrischen Umfang der Geschossflächenüberschreitung und dem Wert des Nutzens der Befreiung hergestellt hat. Wird die Geschossflächenüberschreitung ermittelt, um den Nutzen der Befreiung zu bewerten, muss die Geschossfläche nicht nach den Regeln des Bauplanungsrechts berechnet werden. Ob und gegebenenfalls mit welchen Modifikationen die Regelungen der BauNVO über die Berechnung der Geschossfläche anzuwenden sind, entscheidet das Landesrecht. Davon ist – wie insbesondere die Ausführungen zur Berücksichtigung des Vollwärmeschutzes zeigen (UA S. 10) – auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Er hat die Wärmedämmung als Wandverkleidung angesehen, die “nicht zu einer für die Gebührenbemessung ins Gewicht fallenden Nutzungsmehrung” führt. Die Frage, wie der Wert des Nutzens einer Befreiung wegen der Überschreitung der im Bebauungsplan zugelassenen Geschossfläche zu bestimmen ist, gehört damit dem irrevisiblen Landeskostenrecht an. Wird, soweit es um die Überschreitung der Geschossfläche durch Dachgeschosse mit geneigten Decken und/oder Außenwänden geht, § 44 Abs. 1 II. BV entsprechend angewandt (dafür auch König in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 20 Rn. 18) sowie von einer Mitrechnung einer an der Gebäudeaußenwand angebrachten Wärmedämmung abgesehen, verstößt dies nicht gegen Bundesrecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 1550936 |
BauR 2006, 1439 |
BauR 2006, 1794 |
IBR 2006, 643 |
GV/RP 2007, 305 |
KomVerw 2007, 37 |
Städtetag 2006, 44 |
UPR 2007, 80 |
BRS-ID 2006, 8 |
FSt 2007, 94 |
FuBW 2007, 53 |
FuHe 2007, 104 |