Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. wesentliche Mitursache. Spontanpneumothorax. Gastwirt
Orientierungssatz
Zur Anerkennung zweier Spontanpneumothoraxe als Folge zweier Arbeitsunfälle, die sich ein Gastwirt durch Heben und Tragen schwerer Lasten (hier: mehrerer Getränkekisten und 50-Liter-Bierfässer und Lebensmittelkonserven-Pakete) in seiner Gaststätte zugezogen hatte.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Zugunstenwege (§ 44 Sozialgesetzbuch -- SGB -- X) die Anerkennung zweier Vorfälle als Arbeitsunfälle und die Gewährung von Verletztenrenten.
Der 1952 geborene Kläger erlitt nach seinen Angaben als selbständiger Gastwirt am 27.5.1992 und 18.3.1993 beim Heben und Tragen von Lasten jeweils einen Spontanpneumothorax links, wegen deren Folgen er vom 27.5. bis zum 1.6.1992 bzw vom 18.3. bis zum 22.3.1993 im St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus L stationär behandelt wurde und die nach den Aufzeichnungen des Dr. K bis zum 6.8.1992 bzw bis zum 31.5.1993 Arbeitsunfähigkeit bedingten.
Nachdem der Chirurg Dr. K in seiner Stellungnahme für die Beklagte vom Juni 1993 eine berufliche Verursachung der Pneumothoraces verneint hatte, lehnte die Beklagte durch bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz -- SGG --) gewordenen Bescheid vom 15.7.1993 die Anerkennung und Entschädigung von Arbeitsunfällen mit der Begründung ab, der jeweilige Spontanpneumothorax sei nicht auf die an den betreffenden Tagen verrichtete Berufstätigkeit wesentlich mitursächlich zurückzuführen; das Heben und Tragen von Getränkekisten seien vielmehr nur Gelegenheitsursachen für die Gesundheitsstörungen gewesen.
Im Oktober 1996 legte der Kläger der Beklagten das für das Landgericht (LG) Frankenthal erstattete psychosomatisch-psychotherapeutische Gutachten des Prof. Dr. R vom September 1994 vor und beantragte die Überprüfung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung vom Juli 1993.
Durch Bescheid vom 21.4.1997 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom Juli 1993 ab und hielt an dessen Bindungswirkung fest; die vom Kläger angeschuldigten Tätigkeiten seien keine rechtlich wesentlichen Ursachen für die Spontanpneumothoraces gewesen.
Während des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens führte der Allgemeinmediziner Dr. K im November 1997 aus, seit dem Auftreten der Spontanpneumothoraces dürfe der Kläger keine schweren Lasten mehr heben und tragen.
In seinem Gutachten für die Beklagte legte der Internist und Lungenarzt Dr. B im Mai 1998 dar, bei dem Kläger träten unter körperlicher Belastung Atembeschwerden auf. Es liege ein Zustand nach zweimaligem Spontanpneumothorax links bei computertomographisch gesicherten Emphysemblasen in den Lungenspitzen dorsal vor. Die Lungenfunktion des Klägers sei im Wesentlichen normal; es bestehe lediglich eine leichte restriktive Ventilationsstörung. Die beiden Spontanpneumothoraces seien zwar beim Heben und Tragen von Getränkekisten aufgetreten. Gleichwohl komme diesen Tätigkeiten nur die Qualität einer Gelegenheitsursache zu. Maßgeblich für die Entstehung des jeweiligen Spontanpneumothorax seien die lokale Überblähung in den Lungenspitzen des Klägers sowie dessen asthenischer Habitus gewesen. Bei solchen Personen sei wissenschaftlich eine Häufung von Spontanpneumothoraces belegt. Ein vermehrtes Auftreten im Zusammenhang mit Berufstätigkeiten sei dagegen nicht beschrieben. Spontanpneumothoraces entwickelten sich erfahrungsgemäß häufig sogar im Liegen, insbesondere bei Drehbewegungen des Rumpfes. Angesichts der lokalen Überblähung in den Lungenspitzen und des asthenischen Habitus des Klägers hätte es auch bei jeder anderen Gelegenheit zu einem Spontanpneumothorax kommen können. Schließlich könne ein erfahrungsgemäß jederzeit mögliches Rezidiv nicht durch das Vermeiden körperlicher Belastungen ausgeschlossen werden.
Gestützt auf dieses Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch durch Bescheid vom 21.7.1998 zurück.
Vor dem Sozialgericht (SG) Speyer hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung von Arbeitsunfällen und auf Gewährung von Verletztenrenten weiter verfolgt und betont, das beruflich veranlasste Heben und Tragen von Lasten müsse als rechtlich wesentliche Ursache für die Spontanpneumothoraces gewertet werden. Seit dem Auftreten des zweiten Pneumothorax im Jahre 1993 dürfe er keine schweren Lasten mehr heben und tragen.
Durch Urteil vom 15.4.1999 hat das SG die Klage abgewiesen und sich die Bewertungen des Dr. Bossert zu Eigen gemacht.
Gegen dieses ihm am 19.8.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.9.1999 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und unterstreicht, das schwere Heben und Tragen von Lasten sei immer ein wesentlicher Bestandteil seiner täglichen Arbeit als Gastwirt gewesen. Er habe regelmäßig 50-Liter-Bierfässer (etwas mehr als 50 Kilogramm Gewicht), Getränkekästen mit je 12 Glasflaschen (Gewicht etwa 20 Kilogramm) sowie Lebensmittelkonserven-Pakete (Gewicht ca 18 bis 20 Kilogramm) gehoben. Unmittelbar vor den beiden angeschuldigt...