1.1 Was ist Alleinarbeit?
Alleinarbeit ist eine Tätigkeit, die eine Person allein ausführt und bei der keine andere Person in der Nähe ist oder regelmäßig vorbeikommt.
Ein Alleinarbeitsplatz
- ist räumlich von anderen Arbeitsplätzen abgetrennt,
- kann stationär oder mobil sein,
- kann ein Arbeitsplatz mit oder ohne erhöhte Unfallgefährdung sein.
Alleinarbeit kommt häufig in der Praxis vor, z. B.:
- Arbeiten in automatisierten Produktionsabläufen,
- Instandhaltungs-, Reinigungs-, Wartungs- oder Kontrollarbeiten,
- Arbeiten außerhalb der üblichen Kernarbeitszeit (Überstunden, Schicht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit),
- Berufskraftfahrer, Lokführer, Straßenbahnfahrer,
- Maschinenführer, z. B. Bagger, Turmdrehkran, Radlader, Raupen, Landwirtschaftsmaschinen,
- Schornsteinfeger,
- Förster,
- Außendienst, z. B. Monteur im Kundendienst,
- Hausmeister,
- Straßenreinigung, Winterdienst,
- mobiler Pflegedienst,
- Lehrer, Dozent,
- Wachschutz.
Alleinarbeit lässt sich auch hinsichtlich möglicher Konsequenzen charakterisieren: sie liegt vor, wenn einer allein arbeitenden Person in einem Notfall nicht unverzüglich Hilfe geleistet werden kann. Ein Notfall oder eine kritische Situation können entstehen durch
- einen Unfall,
- eine plötzliche Erkrankung,
- Einwirken von Gefahrstoffen,
- psychische Belastungen,
- einen Überfall.
Alleinarbeit an Arbeitsplätzen mit erhöhter Unfallgefahr liegt vor, wenn die allein arbeitende Person außerhalb der Ruf- und Sichtweite ("und"-Verknüpfung beachten!) anderer Personen arbeitet. Folglich handelt es sich nicht mehr um Alleinarbeit, wenn sich eine andere Person
- in Ruf- und Sichtweite,
- in Ruf-, aber nicht in Sichtweite,
- in Sicht-, aber nicht in Rufweite
befindet.
Die "andere Person" ist in den veröffentlichten Informationsschriften zu Alleinarbeit nicht näher beschrieben. Ob es sich dabei um Beschäftigte handelt, ist für den Arbeitgeber aber von Bedeutung. Betriebsfremde Dritte, wie Kunden, Besucher, Gäste können zweifellos nicht als Helfer in einem Konzept zum Schutz eigener Beschäftigter bei Alleinarbeit eingeplant werden. Anderseits müssen Fahrgäste in Bussen helfen, wenn dem Busfahrer etwas zustößt. Das Strafgesetzbuch bedroht den mit Strafe, der bei Unglücksfällen nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist.
Auch sollten Arbeitgeber die in ihrem Betrieb allein tätig werdenden Personen von Fremdfirmen im Blick haben. Diese sind oftmals über den Tag verteilt bei mehreren Kunden unterwegs. Passiert ihnen etwas, fällt das kaum auf.
1.2 Risiken der Alleinarbeit
Alleinarbeit ist grundsätzlich erlaubt, soweit es nicht durch spezielle Regelungen untersagt ist. Daher löst Alleinarbeit nicht automatisch Überwachungsmaßnahmen aus. Wäre dies der Fall, müsste dies auch für Büroarbeitsplätze in Einzelräumen gelten.
Die in Alleinarbeit ausgeübten Tätigkeiten müssen nicht gefährlicher sein, als wenn sie in Gruppen ausgeführt werden. Es sind die gleichen Gefährdungen vorhanden. Allerdings ist im Falle eines Notfalls niemand in der Nähe, der diesen bemerkt und selbst helfen oder Hilfe herbeirufen kann.
Auch wenn es sich um Tätigkeiten mit geringen, alltäglichen Gefahren handelt und das allgemeine Lebensrisiko angenommen werden kann, sollte der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht das Thema Alleinarbeit in seinem Betrieb einer Prüfung unterziehen, indem Alleinarbeitsplätze und möglicher Handlungsbedarf identifiziert werden.
1.2.1 Gefahr der fehlenden Hilfeleistung
Alleinarbeit wird problematisch, wenn durch akute körperliche Beschwerden, eine plötzliche Erkrankung, einen Unfall oder Einflüssen aus der Umgebung eine Notfallsituation entsteht, in der
- die oder der Betroffene nicht mehr oder nur noch eingeschränkt handlungsfähig sind,
- die Situation von anderen Personen nicht oder nicht rechtzeitig bemerkt wird oder
- die Hilfeleistung nicht oder nicht ausreichend gewährleistet ist.
1.2.2 Gefahr der Überforderung
Das Alleinarbeiten und damit verbundene Alleinsein kann zu einem Isolationsgefühl bis hin zu einem Angstgefühl, gerade in abgelegenen Räumen, führen. Die fehlende Möglichkeit des unmittelbaren persönlichen Austausches oder die fehlende Unterstützung und Mithilfe, insbesondere bei unerwarteten Ereignissen oder in Momenten, in denen schwierige Entscheidungen in kurzer Zeit zu treffen sind, fördern die intellektuelle, körperliche und schließlich psychische Überforderung und damit auch das Unfallrisiko. Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen sind weitere mögliche Folgen.
Nachteilig kann sich ebenfalls auswirken, wenn sich die Alleinarbeitenden mit ihrer Arbeit nicht ausreichend wahrgenommen, anerkannt und wertgeschätzt fühlen. Sowohl in Bezug auf die Motivation als auch auf ihre Rolle im Betrieb.
1.2.3 Gefährlichkeit der Arbeit
Wie bei jeder anderen Tätigkeit sind auch bei der Alleinarbeit die Gefährdungen zu beurteilen, die sich aus dem Arbeitsverfahren, der Art der Tätigkeit, den verwendeten Stoffen und der Arbeitsumgebung ergeben.