Erfordert Alleinarbeit besondere Schutzmaßnahmen?
Alleinarbeiten sind Tätigkeiten an Einzelarbeitsplätzen (EAP), die von einer Person allein außerhalb Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen ausgeführt werden. Gefährliche Arbeiten sollten jedoch grundsätzlich nicht von einer Person allein ausgeführt werden.
Alleinarbeit bei gefährlichen Arbeiten erfordert Überwachung
Gefährliche Arbeiten können sein:
- Arbeiten mit Absturzgefahr,
- Arbeiten in Silos, Behältern oder engen Räumen,
- Schweißen in engen Räumen,
- Feuerarbeiten in brand- oder explosionsgefährdeten Bereichen oder an geschlossenen Hohlkörpern,
- Gasdruckproben und Dichtigkeitsprüfungen an Behältern,
- Erprobung von technischen Großanlagen, wie Kesselanlagen,
- Sprengarbeiten,
- Fällen von Bäumen,
- Arbeiten im Bereich von Gleisen während des Bahnbetriebs,
- der Einsatz bei der Feuerwehr,
- Vortriebsarbeiten im Tunnelbau,
- Arbeiten an offenen Einfüllöffnungen von Ballenpressen, die mit Stetigförderern beschickt werden, und deren ungesicherten Aufgabestellen,
- Arbeiten in gasgefährdeten Bereichen,
- Hebezeugarbeiten bei fehlender Sicht des Kranführers auf die Last,
- Umgang mit besonders gefährlichen Stoffen, z. B. in chemischen, physikalischen oder medizinischen Laboratorien,
- Arbeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikostufe IV,
- Dienstleistung an Personen, die sich gegen die Dienstleistung tätlich wehren.
Ist es aus betrieblichen Gründen notwendig, dass gefährliche Arbeiten nur von einer Person ausgeführt werden, muss der Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Gefährdung geeignete Maßnahmen zur Überwachung treffen. Er kann dazu technische oder organisatorische Maßnahmen festlegen und umsetzen.
Technische Schutzmaßnahmen bei Alleinarbeit
Technische Maßnahmen sind z. B.:
- Telefon,
- Hilferufanlage,
- Sprechfunkgerät,
- Videoeinrichtung,
- akustische Warneinrichtung,
- Gaswarngeräte mit willensunabhängiger Alarmübermittlung,
- Verwendung geeigneter Personen-Notsignal-Anlagen.
Wichtig: Technische Hilfsmittel können zweite Person nicht immer ersetzen
Technische Hilfsmittel sind kein Ersatz für eine in staatlichen Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften geforderte zweite Person, die in einem Notfall die Rettungskette ingangsetzen soll. So darf z. B. bei Arbeiten in Behältern, Silos bzw. engen Räumen eine Personen-Notsignal-Anlage einen Sicherungsposten nicht ersetzen, sondern nur als Maßnahme der ständigen Verbindung eingesetzt werden.
Organisatorische Maßnahmen bei Alleinarbeit
Organisatorische Maßnahmen können z. B. sein:
- Kontrollgänge einer zweiten Person,
- zeitlich abgestimmte Telefon-/Funkmeldesysteme,
- ständige Kameraüberwachung.
Praxis-Beispiel: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen
Grundsätzlich muss beim Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen mind. ein Sicherungsposten in Sicht- bzw. Rufweite und ein Aufsichtführender vor Ort und kurzfristig verfügbar sein. Beide müssen vom Arbeitgeber eingesetzt werden. Zwischen Alleinarbeiter und Sicherungsposten muss eine ständige Verbindung bestehen. Ist Sichtverbindung nicht möglich, kann die ständige Verbindung auch über eine Sprechverbindung oder Signalleinen gewährleistet werden.
Als Sicherungsposten kommen nur Beschäftigte in Frage, die zuverlässig sind und die erforderlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten mitbringen. Der Aufsichtsführende muss überwachen, ob festgelegte Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Auf einen Sicherungsposten kann nur dann verzichtet werden, wenn keine Gefährdungen durch Stoffe oder Einrichtungen auftreten und die Mitarbeiter die Behälter, Silos und engen Räume ohne fremde Hilfe verlassen und jederzeit Hilfe anfordern können und kein Sauerstoffmangel auftreten kann.
Alleinarbeit: Risikobeurteilung
Ob und welche zusätzlichen – über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinausgehenden – technischen oder organisatorischen Maßnahmen bei Alleinarbeit erforderlich sind, hängt vom Risiko ab.
Die Gefährdungsstufe (Tabelle) dient als Orientierung, um die Notwendigkeit einer Überwachung von Einzelarbeitsplätzen zu klären. Nach DGUV-R 112-139 werden Gefährdungen definiert als
- gering: Person bleibt handlungsfähig,
- erhöht: Im Notfall bleibt die Person eingeschränkt handlungsfähig bzw.
- kritisch: Im Notfall ist die Person nicht mehr handlungsfähig.
Gefährdungsstufe | gering | erhöht | kritisch |
Überwachung von Einzelarbeitsplätzen | grundsätzlich nicht erforderlich | z. B. durch Kontrollgänge oder Kontrollanrufe, erforderlich, wenn die Notfallwahrscheinlichkeit nicht höher als mäßig einzustufen ist. Ist die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls als hoch einzustufen, wird eine ständige Überwachung erforderlich, wie sie bei besonderen Gefährdungen vorgeschrieben ist | ständige Überwachung erforderlich z. B. durch:
|
Zur abschließenden Beurteilung des Risikos (R) bei Alleinarbeit müssen berücksichtigt werden:
- Gefährdungsstufen mit Gefährdungsziffer (GZ),
- Wahrscheinlichkeit eines Notfalls (NW),
- Bewertung der Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen am Einzelarbeitsplatz (EV).
Nach der Formel R = (GZ + EV) × NW kann dann berechnet werden, ob das Risiko akzeptabel ist.
Wichtig: Risikobewertung
Als akzeptables Risiko gelten Werte für R ≤ 30, d. h. Alleinarbeit ist zulässig. Dagegen stellt R > 30 einen Gefahrenfall (inakzeptables Risiko) dar, d. h. ohne zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen ist dann Alleinarbeit nicht zulässig.
Alleinarbeit ist auch nicht zulässig, wenn beim Vorliegen einer besonderen Gefährdung die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls als hoch eingestuft werden muss, z. B. wenn auch unter normalen Umständen mit Notfällen zu rechnen ist oder unter ähnlichen Arbeitsbedingungen Notfälle wiederholt aufgetreten sind (DGUV-R 112-139).
Das könnte Sie auch interessieren
Arbeiten mit Absturzgefahr: Alles Wissenswerte zur G 41-Untersuchung
-
Arbeitsstättenverordnung Büro: Mindestgröße und Raumhöhe
4.484
-
Fürsorgepflicht bei Alkohol am Arbeitsplatz: Was müssen und was können Arbeitgeber tun?
1.627
-
Arbeiten mit Absturzgefahr: Alles Wissenswerte zur G 41-Untersuchung
1.189
-
Unterweisung im Arbeitsschutz: Die wichtigsten Grundlagen und Fakten auf einen Blick
1.080
-
Lärmbelästigung am Arbeitsplatz: Grenzwerte und Maßnahmen
866
-
Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten: Alles Wissenswerte zur G 25-Untersuchung
765
-
Wann ist ein Arbeitsunfall meldepflichtig?
7262
-
Sanitärräume und Toiletten – was ist zu beachten?
6172
-
Gefährdungsbeurteilung erklärt: Pflichten, Fristen, Zuständigkeiten und mehr
601
-
Bildschirmarbeitsplätze: Alles Wissenswerte zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
537
-
Gewalt am Arbeitsplatz nimmt zu
19.12.2024
-
Was bei der Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz zu beachten ist
18.12.2024
-
Diese KI erleichtert den Arbeitsschutz im Homeoffice
13.12.2024
-
Interne Experten im Arbeitsschutz: Ein ungenutztes Potenzial
11.12.2024
-
Fürsorgepflicht bei Alkohol am Arbeitsplatz: Was müssen und was können Arbeitgeber tun?
09.12.2024
-
Fluchtwege und Notausgänge nach ASR A2.3
03.12.2024
-
Schutzeinrichtungen an Maschinen: Wie Manipulationen an ihnen vermieden werden können
25.11.2024
-
Wann gilt die Helmpflicht auf dem Bau?
22.11.2024
-
Wer haftet, wenn Beschäftigte die Sicherheit missachten?
18.11.2024
-
Wie geht eine Gefährdungsbeurteilung beim Notfalleinsatz?
15.11.2024