Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Die Gefährdungsbeurteilung für abwassertechnische Anlagen muss speziell den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen umfassen. Z. B. müssen berücksichtigt sein:
- sämtliche Tätigkeiten (also auch Wartungs-, Reinigungs- und Überwachungstätigkeiten),
- tätigkeitsabhängig zu erwartende Erreger, Ausmaß und Dauer der Exposition,
- aufgetretene Erkrankungen im betreffenden oder in vergleichbaren Bereichen,
- zu erwartende Unfälle.
In Abschn. 5 TRBA 220 werden Maßnahmen aufgeführt, die geeignet sind, die entsprechenden Risiken zu minimieren. Werden sie, soweit sie relevant sind, umgesetzt, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er die Anforderungen der Schutzstufe 2 (entsprechend der Erregereinstufung in Risikogruppe 2) nach BioStoffV einhält.
Baulich-technische Maßnahmen
Baulich-technische Maßnahmen
Beispiele (die allerdings in bestehenden Anlagen nicht in vollem Umfang umsetzbar sind):
- Verminderte Aerosolbildung, z. B. durch geringere Turbulenzen beim Abwassertransport, verminderte Fallhöhen an Kaskaden, Einhausung von Belüftern, Windschutzelemente oder -hecken an Belebungsbecken,
- Tropf- und Spritzwasser vermeiden, z. B. durch Abdeckungen an Rechenanlagen oder optimierte Düsen an Saugwagen,
- Vermeidung von Abwasserkontakt durch automatische oder fernbediente Anlagen.
Abb. 5: Schneckenpumpwerk im Rohabwasserbereich mit Abdeckung gegen Geruchs- und Aerosolausbreitung
Organisatorische Maßnahmen
Organisatorische Maßnahmen
Beispiele:
- Betriebsanweisungen und Unterweisungen, insbesondere zu "infektionsreduziertem" Arbeiten (wenig Spritzer, wenig Aerosol, wenig Abwasserkontakt),
- regelmäßige, vorschriftsmäßige Reinigung von Geräten, Fahrzeugen usw.,
- fachkundige Ratten- und Mäusebekämpfung.
Hygienische Maßnahmen
Bei hygienischen Maßnahmen muss über die ohnehin erforderlichen Vorgaben für abwassertechnische Anlagen (vgl. Abschn. 3.9) Folgendes berücksichtigt werden:
- Aufstellung und Fortschreibung eines Reinigungs-, Hygiene- und Hautschutzplans, Bereitstellung der entsprechenden Produkte, Einmalhandtücher,
- Händereinigung und ggf. -desinfektion nach Kontakt mit Abwasser, nach Arbeitsende, vor Pausen, vor und nach dem Toilettengang, Waschbecken mit Armaturen ohne Handberührung,
- bei Bedarf und am Arbeitsende sollte geduscht werden,
- an Arbeitsplätzen nicht essen, trinken, rauchen; Lebensmittel in gesonderten Bereichen oder Schränken geschützt vor Verschmutzung aufbewahren,
- Pausenräume möglichst räumlich getrennt von Wasch- und Umkleideräumen halten, Pausenräume nicht mit stark verschmutzter Arbeitskleidung betreten,
- Straßenkleidung getrennt von Arbeits- und Schutzkleidung aufbewahren; Arbeitskleidung und Schutzausrüstung müssen regelmäßig durch den Arbeitgeber gereinigt werden (mind. wöchentlich) und dürfen nicht mit nach Hause genommen werden, mind. drei Sätze Arbeitskleidung; in Wäschereien ist die Wäsche als potenziell infektiös zu behandeln.
Persönliche Schutzausrüstung
- geeignete Arbeitskleidung,
- Schutzausrüstung, die vor Nässe und Hautkontakt mit Abwasser schützt, z. B. Gummischürzen oder -overalls, Gummistiefel bei "Nassarbeiten", ggf. Korbbrillen oder Visiere,
- flüssigkeitsdichte Handschuhe bei unmittelbarem Abwasser- oder Schlammkontakt, ausreichend Wechselmöglichkeit,
- Atemschutz: Hier kommen v. a. partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 (gegen Schleimhautkontakt/Einatmen von Aerosol) infrage. Gegen deren regelmäßigen Einsatz spricht, dass sie unter Feuchtigkeitseinwirkung schnell durchschlagen, bei längerem Einsatz eine Vorsorgeuntersuchung G 26 erfordern und vergleichsweise teuer sind. Sie werden daher nur im Einzelfall und kurzfristig sinnvoll einsetzbar sein.
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Nach TRBA 220 kommen in abwassertechnischen Anlagen aufgrund der biologischen Gefährdung als Pflichtuntersuchung infrage:
- Infektionsgefährdung mit Hepatitis A (Impfangebot erforderlich),
- Feuchtarbeit (z. B. Tragen von flüssigkeitsdichten Handschuhen) von 4 Stunden am Tag oder mehr,
- Tragen von Atemschutzgeräten der Klassen 2 oder 3.
Untersuchungen müssen angeboten werden bei
- weiteren vorkommenden Erregern nach Gefährdungsbeurteilung,
- Feuchtarbeit (z. B. Tragen von flüssigkeitsdichten Handschuhen) von mehr als 2 Stunden,
- Tragen von Atemschutzgeräten der Klasse 1,
- Verdacht auf Allergien.
(entsprechend der ArbMedVV)
Außerdem müssen die Beschäftigten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beratung über die bereits genannten Sachverhalte, Risiken und Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden (Erreger, Übertragungswege, Krankheitssymptome, Schutzmaßnahmen usw.).
Persönliche Disposition berücksichtigen
In jedem Fall muss die arbeitsmedizinische Beratung sicherstellen, dass Beschäftigte mit besonderer persönlicher Disposition (z. B. immungeschwächte Personen) durch die Arbeit in abwassertechnischen Anlagen keinem inakzeptablen Risiko ausgesetzt werden.